Funde dank Volltext – Gelegenheitsschriften der Frühen Neuzeit

Gedruckte Rede anlässlich der Beerdigung von Friedrich Eberhard von Goerne im Jahr 1741. Foto: SBB-PK/Friederike Willasch.
Welche Vorteile Digitalisierung und Bereitstellung von Volltexten der Bestände deutscher Bibliotheken auch für die bibliothekarische Praxis mit sich bringen, konnte die kürzlich abgeschlossene Katalogisierung von rund 400 Gelegenheitsschriften in der Abteilung Handschriften und Historische Drucke zeigen. Volltextsuche erleichterte dabei die Identifizierung erheblich und brachte einige Fundstücke zu Tage.
Die Gelegenheitsschriften
In den 1930er Jahren erwarb die Preußische Staatsbibliothek große Sammlungen an Leichenpredigten. Diese Trauerschriften, die sich vor allem im protestantischen Raum in der Frühen Neuzeit in gedruckter Form verbreiteten, würdigten Verstorbene häufig mit Gedichten und Einblicken in den Lebenslauf. In den Bestand gelangten damals jedoch auch weitere frühneuzeitliche Gelegenheitsschriften. Diese Drucke – häufig handelt es sich um Reden, Predigten oder Gedichte – entstanden zu einem bestimmten Anlass wie Hochzeiten, Geburtstagen, Promotionen, Amtsantritten und Verabschiedungen. Da diese Schriften nur in kleiner Auflage gedruckt wurden, sind sie heute selten und eine geschätzte kulturhistorische Quelle für Einblicke in vergangene Lebenswelten, Alltagsgeschichte und Netzwerke.

Exemplare dieser Reden und Predigten waren vor dem Zweiten Weltkrieg in der Stabi vorhanden. Nun konnten hier Kriegsverluste ersetzt werden. Foto: SBB-PK/Friederike Willasch.
Die Herausforderung
Viele Gelegenheitsschriften sind schwer zu identifizieren, liegen einzeln, in verschiedenen Ausgaben oder nur unvollständig vor, umfassen in vielen Fällen nur wenige Blatt, manchmal vielleicht gar kein Titelblatt. Unter diesen erschwerten Bedingungen stießen unsere bibliothekarischen Vorgänger an ihre Grenzen. Heute jedoch machen die Massendigitalisierungen im Rahmen der Verzeichnisse der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts (VD 16, VD17, VD18) und die zunehmend eingesetzte OCR eine Volltextsuche nach beliebigen Textteilen und Fragmenten möglich. OCR (Optical Character Recognititon) ist dabei die Technologie, um gedruckten Text maschinenlesbar zu machen. Seit 2016 ist auch die Stabi Berlin an dem Koordinierungsprojekt OCR-D beteiligt.

Ausschnitt des dreiseitigen Gedichts auf eine Vermählung im niedersächsischen Adelshaus Lenthe. Foto: SBB-PK/Friederike Willasch.
Das Team der Abteilung Handschriften und Historische Drucke nahm nun diese Herausforderung rund um die Gelegenheitsschriften an. Durch den Vergleich mit digitalen Sammlungen anderer Bibliotheken, dank der Volltextsuche und einem guten Maß an detektivischem Spürsinn konnten so in diesem Jahr rund 400 Drucke zweifelsfrei bestimmt und Lücken im Bestand geschlossen werden.
Unerwartete Funde
Besonders erfreulich: Es kamen Titel zum Vorschein, die bisher deutschlandweit noch nicht nachgewiesen waren. Ca. 120 bisher im VD 17 und VD 18 unbekannte Titel – sogenannte VD-Nova – konnten nun ebenfalls katalogisiert werden. Solche Funde zeigen eindrücklich das Potential, das noch in den Altbeständen von Bibliotheken steckt. Diese Schriften befinden sich zum Teil noch in der Digitalisierung und werden anschließend vollständig im Katalog recherchierbar sein.
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