Historische Drucke an die Grafen zu Lynar restituiert

Die Staatsbibliothek zu Berlin hat zwei Bücher aus dem Alt­eigentum der Grafen zu Lynar an die Erben zurückgegeben. Die zwei Bände aus dem 17. Jahrhundert waren bei der Bearbeitung der Bestände der Bibliothek aufge­fallen.
Ihre Herkunft ließ sich eindeutig feststellen, da beide Drucke auf dem Vorder- und Rückendeckel ihrer Pergamenteinbände jeweils ein goldgeprägtes Wappen-Supralibros mit der Umschrift SIGMUND CASIMIR GRAF ZU LYNAR tragen. Die Staatsbibliothek hat sie nun an die Stadt- und Landesbibliothek Potsdam übergeben, wo der erhaltene Teil der ehemaligen „Gräflich zu Lynarschen Fideikommiß Bibliothek“ als Depositum aufgearbeitet und betreut wird.
Beide Bände tragen den Besitzstempel der ehemaligen Deutschen Staatsbibliothek und wa­ren 1972 mit einer Signatur versehen, aber nicht in Katalogen verzeichnet worden. Vermut­lich waren sie über die „Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände“ in die Bibliothek ge­langt. Diese 1953 geschaffene Einrichtung, die ab 1959 bei der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin (Ost) angesiedelt war, betreute Buchbestände, die in der DDR durch Enteignung, Aussonderung aus bestehenden Büchereien oder Auflösung ganzer Bibliotheken herrenlos geworden waren. Die Zentralstelle übergab die Werke wissenschaftlichen Bibliotheken der DDR zur weiteren Nutzung.
Wilhelm-Friedrich Graf zu Lynar war aufgrund seiner Beteiligung an dem Hitler-Attentat um Graf von Stauffenberg am 20. Juli 1944 zum Tod verurteilt und hingerichtet worden. Seine Familie wurde von der NS-Regierung enteignet. Der Familiensitz Schloss Lübbenau im Spreewald musste geräumt werden, die dort vorhandenen Bibliotheksbestände wurden nach 1945 entfernt. Die Familie des Grafen zu Lynar ging nach 1945 in den Westen. Nach der Wiedervereinigung wandte sie sich an das Amt für offene Vermögensfragen, das ihr 1994 die Eigentumsrechte an den Liegenschaften in Lübbenau sowie an den Kunstgegenständen, die sich im Schlossmuseum befunden hatten, zurückübertrug.
Es gibt — neben den zwei zurückgegebenen Büchern – Weiteres aus Schloss Lübbenau, das sich in der Staatsbibliothek befindet, jedoch mit anderem Hintergrund. Seit 1956 werden Handschriften aus der Graf von Lynarschen Sammlung in der Musikabteilung der Staatsbib­liothek bewahrt. Ursprünglich waren diese vom Lübbenauer Spreewald-Museum leihweise überlassen worden. 1995 wurden der Familie zu Lynar diese umfangreichen Musikalien­bestände zurückübertragen. Sie befinden sich seit 1999 auf der Grundlage eines Dauerleih­vertrags in der Staatsbibliothek. Seit 2005 betreut die Staatsbibliothek 379 Drucke der Re­formationszeit aus der Gräflich zu Lynarschen Sammlung als Depositum.

 

Die zwei zurückgegebenen Bücher
Processus iudiciarius in causa … Georgio Comiti in Wisnicz et laroslaw Lubomierski … ex instantia instigatoris regni & delatione … Hieronymi de Magna Skrzynno Dunin ad comitia regni anni 1664 institutæ & ibidem iudicatæ ac decisæ, Warschau 1664 (Sammelband mit drei angebundenen Drucken 1665-1666)
Es ist ein Sammelband mit vier Warschauer Drucken aus dem Umfeld des Prozesses, den König Jan II Kazimierz Waza 1664 gegen den polnischen Adligen Jerzy Sebastian Lubomirski (1616-1667) anstrengte. Infolge der Entmachtung Lubomirskis entbrannte der Magnatenaufstand von 1665-1666 gegen den polnischen König (Rokosz Jerzego Lubomirskiego). Dieser musste den Forderungen der Rebellen schließlich nachgeben und zurücktreten. Im Bestand der Staatsbibliothek ist ein weiteres Exemplar nachgewiesen, das heute aufgrund der Bestandsauslagerungen im Zweiten Weltkrieg in der Biblioteka Jagiellonska in Krakau aufbewahrt wird. Den nun zurückgegebenen Band hat die Staatsbibliothek zu Berlin kürzlich mit dem Einverständnis der Erbengemeinschaft digitalisiert und kann ihn auf diese Weise ihren Nutzern zugänglich machen.
Sanson, Nicolas: Die gantze Erd=Kugel / bestehend in den vier Theilen der Welt / Als Europa, Asia, Africa und America …, Frankfurt am Main 1679 (unvollständig, es fehlen die 63 Karten)
Dieser Band aus dem Jahr 1679 ist die deutsche Ausgabe einer Traktaten-Serie zu den vier damals bekannten Erdteilen, die auf den Vorreiter der französischen Kartographie Nicolas Sanson d’Abbéville zurückgeht.

Die Abteilung Historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin
Die Staatsbibliothek zu Berlin ist die größte wissenschaftliche Universalbibliothek Deutschlands. Sie bewahrt in mehreren Sondersammlungen herausragende Schätze des kulturellen Erbes. Ihre Abteilung Historische Drucke bewahrt, ergänzt und erschließt rund 250.000 Bände seltene und kostbare historische Druckschriften und ist damit eine der umfangreichsten Sammlungen dieser Art weltweit. Darüber hinaus ergänzt und erschließt die Abteilung den allgemeinen Druckschriftenbestand bis zum Erscheinungsjahr 1912.Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, die Lücken, die durch die Verlagerung und Vernichtung von Druckschriften während des Zweiten Weltkriegs entstanden sind, zu schließen.
Zudem koordiniert die Abteilung für die Druckschriftenbestände der Staatsbibliothek zu Berlin die Erforschung und Erschließung der in den einzelnen Exemplaren aufgefundenen Provenienzspuren. Seit 2007 befasst sich ein speziell eingerichteter Aufgabenbereich mit der Aufarbeitung von Verdachtsfällen hinsichtlich NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in den Sammlungen der Staatsbibliothek. Im Rahmen eines gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellschaft betreuten Forschungsprojekts werden Struktur und Funktionsweise der im Bibliotheksgebäude Unter den Linden untergebrachten Reichstauschstelle bei der Verteilung beschlagnahmter Bücher in den Jahren 1933 bis 1945 analysiert.

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