Interview mit Birgit Rattay (Bestandsentwicklung und Metadaten)
Birgit Rattay arbeitet in der Abteilung Bestandsentwicklung und Metadaten (IIA). Zusätzlich koordiniert sie die Ausbildungsabschnitte der FaMI-Auszubildenden in der Abteilung.
Sie hat sich freundlicherweise zu einem kleinen Interview mit uns bereit erklärt. Lesen Sie hier die Antworten unserer Kollegin:
Auszubildende: Wie kamst Du zur Staatsbibliothek?
Birgit Rattay: Als ich in Hessen Abitur gemacht habe, in der Nähe von Fulda, stand ich ja direkt auch schon vor der Berufswahl. Für mich war zu dem Zeitpunkt schon klar, dass ich kein Hochschulstudium anfange, sondern etwas mache, womit ich auch relativ bald in einen Beruf gehe. Und das war tatsächlich die Möglichkeit über eine Ausbildung für den gehobenen Dienst. Außerdem habe ich mich schon in der Schulzeit in einer Kirchenbibliothek engagiert. Das hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht.
Als ich mich beworben habe war dann Berlin, die Staatsbibliothek – Preußischer Kulturbesitz, mit dabei. Obwohl die Stadt für mich wahnsinnig weit weg war und ich gedacht habe, ich bleibe in Hessen, ist es Berlin geworden und geblieben, was mich heute auch sehr freut.
AB: Warum hast Du dich für die SBB entschieden?
BR: Die Staatsbibliothek hat in dem Jahr, ich habe 1984 angefangen, 14 Ausbildungsstellen eingerichtet – es konnten wirklich wahnsinnig viele dort anfangen. Dementsprechend groß war auch die Bewerberzahl, und ich habe mich in Berlin in keiner anderen Bibliothek beworben. Ich habe mich noch in Hessen bei der Deutschen Bibliothek beworben, in Nordrhein-Westfalen, und für den Archivbereich, wo ähnliche Laufbahnen angeboten wurden. Tatsächlich waren es am Ende gar nicht so viele, die in Frage kamen. Es war die Stabi, auf die ich relativ direkt gestoßen bin, damals gab’s ja auch kein Internet.
AB: Was gefällt Dir am besten an der Bibliothek?
BR: Mir gefällt, dass ich mich in meinem (Arbeits-)Bereich wirklich nochmal sehr stark entwickeln konnte, dass ich zwar einerseits Aufgaben habe, die Routine sind, aber andererseits auch wirklich eine ganze Reihe Aufgaben, die neu, die innovativ sind und wo ich an der Gestaltung direkt teilnehmen kann. Das ist toll!
AB: Was sind das genau für Aufgaben?
BR: Ich habe ja in II A (Anm.: Abteilung Bestandsentwicklung und Metadaten) die Bearbeitung der E-Books von Anfang an etabliert, als das in der Abteilung im größeren Stil als Erwerbungsform hinzukam: Das ganze Verfahren im Buchreferat, die Einarbeitung der Mitarbeiter*innen. Der Kreis ist immer größer geworden in relativ kurzer Zeit. In den letzten fünf Jahren ist der Mitarbeitendenkreis unwahrscheinlich gewachsen. Das konnte man nicht wissen, ist aber auch sehr schön.
Beim Umstieg auf den K10plus (Anm.: Verbundkatalog, an dem die SBB mitwirkt) haben sich für die E-Books ganz andere Bearbeitungsformen entwickelt. Wir müssen plattformspezifische (Anm.: Titel-) Aufnahmen gestalten, das ist völlig anders als bei Print-Aufnahmen. Es sind ganz andere Voraussetzungen zu beachten und zu betrachten.
Ich arbeite inzwischen sehr viel mit der Verbundzentrale zusammen, mache auch E-Book-Schulungen für die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover, und inzwischen auch mit Herr Mewes von der Verbundzentrale für die Verbundzentrale selbst.
Der andere Bereich ist das Metadatenmanagement. Das hat mich am Anfang echt beunruhigt, aber wir haben sehr nette Kollegen, Herrn Rolschewski und Herr Schöner, die Workshops anbieten. Da waren anfangs etliche Kolleg*innen von IDM (Anm.: IT-Abteilung der SBB) dabei, aber wir haben auch in II A die Kurve bekommen – also die teilweise wirklich sehr sperrigen und völlig fremden Inhalte: Benutzung der Konsole, Benutzung von regulären Ausdrücken, Eingabe von Befehlen, und auch das Ändern und Anpassen an eigene Bedürfnisse fällt uns immer leichter. Wir haben diesen Schritt geschafft mit den beiden Kollegen. Es gibt jetzt auch eine AG für Metadaten. Und obwohl wir uns zu Coronazeiten schon fast zwei Jahre nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen haben, treffen wir uns alle 14 Tage und haben immer noch wirklich sehr interessante Projekte. Die meisten Mitglieder sagen, sie würden viel lernen, auch wenn sie es nicht unbedingt konkret anwenden, aber sie interessieren sich einfach dafür. Ich denke, dass die Anwendung jederzeit kommen kann. Das kann niemand vorhersagen. Das ist ein sehr interessanter Bereich, der mir wirklich Spaß macht!
AB: Welcher ist Dein Lieblingsort in der Bibliothek?
BR: Mein Lieblingsort in dieser Bibliothek – das ist eine gute Frage!
Gibt es einen Ort an dem mir das Herz höherschlägt? Doch, eigentlich schon.
Wenn ich die Treppe (Anm.: im Haus Potsdamer Straße) hochkomme, nach der Eingangskontrolle, und dann nach Westen gucke und rechts diese Glasbauwand habe – diese Steine, egal ob sie von der Sonne oder im Winter angeleuchtet werden – finde ich wunderschön! Diese Steine sieht man in privaten Gebäuden gar nicht und ich sehe sie tatsächlich auch kaum in öffentlichen Gebäuden. Es hat so ein bisschen was von diesen Fenstern in Kirchen. Nur ist es hier das Arbeiten mit Farbe, die Glasbausteine haben unterschiedliche Farben, und gerade im Winter, wenn es vielleicht den ganzen Tag regnet, dann ist diese Wand immer was Schönes, wo man gerne hinguckt.
AB: Auf welche Hilfsmittel kannst Du bei der Arbeit nicht verzichten?
BR: Gute Frage! Wir haben inzwischen in II A zwei Bildschirme, und das ist toll!
Ich habe zuhause (Anm.: am Homeoffice-Arbeitsplatz) nur einen und ich finde es jedes Mal schade! Ich bin wirklich gerne hier, weil ich hier zwei Bildschirme habe und eben wirklich einen großen Platz.
AB: An welches Kompliment, das Du bei der Arbeit bekommen hast, erinnerst Du dich gerne zurück?
BR: Habe ich ehrlich gesagt schon oft bekommen. Es freut mich auch wirklich!
Was etwas Besonderes war und wo ich im Nachhinein denke, das würde ich immer wieder machen: Es sind im Frühling mal zwei Enten gegen die Bibliothek geflogen, die eine war gleich tot und die andere war verletzt. Eine Kollegin hat dann ihr Auto genommen, ich habe von meinem damaligen Abteilungsleiter frei bekommen und wir sind zum Tierheim nach Lankwitz gefahren. Da war damals noch ein Tierarzt, der Wildtiere behandelt hat. Der konnte dem Vogel dann helfen.
Dieser Weg mit der Arbeitskollegin, so ganz spontan, von jetzt auf gleich, da bin ich hinterher sehr gelobt worden, dass ich das gemacht habe. Da dachte ich: Ja, das würde ich auch immer wieder machen.
Ansonsten werde ich schon tatsächlich immer mal wieder auch gelobt, vor allem von Kolleginnen und Kollegen, weil sie finden das in den Bereichen, um die ich mich kümmere, eine gute Atmosphäre herrscht. Dass es ihnen einfach Spaß macht, da mitzuarbeiten, und das freut mich auch total!
Also auch, wenn ich mich um die Ausbildung kümmere, das ist ja auch oft problembehaftet. Meistens kommt man zu mir erst, wenn es ein Problem gibt. Und wenn das Problem dann gelöst ist oder im Vorfeld etwas geklärt werden kann, bevor irgendjemand eine schlechte Erfahrung macht, oder vor verschlossenen Türen steht, da höre ich doch ganz oft, dass alle froh sind…
AB: Da muss ich auch direkt an den Anfang von Corona denken, wie ihr uns betreut habt, das war richtig super! Wo wir alle gar nicht wussten, wie es dann weitergeht. Da ging es ruckzuck, das von heute auf morgen ein Plan stand und Aufgaben da waren. Das war für dich wahrscheinlich auch nicht so einfach, auf Knopfdruck umzuplanen. Die II A-Ausbildung in Präsenz ist doch nochmal etwas anderes, als auf einmal über Video und über Distanz etwas beizubringen und zu vermitteln.
BR: Es war schon auch toll. Erstmal hat mein Abteilungsleiter keine Steine in den Weg gelegt, das ist eine wichtige Voraussetzung, und Herr Altenhöner (Anm.: Ständiger Vertreter des Generaldirektors der SBB) hat das richtige getan. Ich habe dann diese Webex-Meeting-Lizenz bekommen, das war wirklich genial! Und damit waren ja die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt. Das ist dann natürlich auch wichtig in so einer Situation.
AB: Welches ist das letzte Buch, das Du gelesen hast? Und, wenn du eines hast, welches ist Dein Lieblingsbuch?
BR: Das letzte Buch, das ich gelesen habe war ein Krimi, ich lese gerade noch an einem Krimi, die habe ich beide zu Weihnachten bekommen. Ich bin nicht wirklich schnell, weil ich aus irgendeinem Grund abends neuerdings immer nochmal Nachrichten lese. Dann bin ich zu müde, um weiter zu lesen. Das geht jetzt schon eine ganze Weile, da ich den Tag über so viel mache, dann gucke ich abends noch mal aufs Handy. Das will ich mir eigentlich abgewöhnen, da ich gerne abends lese, wenn ich wirklich Ruhe habe.
Das klingt sehr ungewöhnlich, aber mein Lieblingsbuch ist „Moby Dick“.
Ich mag die Schilderungen des jungen Mannes, der sich völlig ohne Erfahrung in die Welt begibt und sich Gedanken darüber macht, woraus diese Welt besteht. Er will einfach alles lernen, alles erfahren und lernt Menschen unterschiedlichster Art kennen, muss irgendwie mit denen klarkommen. Er hat dann auch die Begegnung mit diesem unwahrscheinlichen Kapitän, der eine völlig gestörte Persönlichkeit ist. Der für so viele Menschen Verantwortung hat. Man muss zugucken, wie er sich in sein Unglück stürzt und den Rest der Welt mitnimmt. Das alles in diesem Zusammenspiel mit einem unwahrscheinlich eindrucksvollen großen Tier.
Es hat meine Fantasie sehr angeregt, dieses Unterwegs sein, sein Leben hinter sich lassen und sich einer Situation völlig anvertrauen. Das Buch hat mich immer beeindruckt!
AB: Bücher lieber in Print oder elektronisch?
BR: Ich lese keine elektronischen Bücher.
AB: Du beschäftigst Dich also beim Arbeiten damit, aber im Privaten nicht?
BR: Nein. Ich muss auch gestehen, dass mein Lesekonsum nachgelassen hat. Ich habe früher unglaublich viel gelesen, richtig gerne und richtig viel. Viele Bücher haben mir sehr viel gegeben. Ich behaupte auch mal, meine Persönlichkeit ist geprägt durch bestimmte Bücher, die ich wirklich mochte und immer wieder gelesen habe. Aber das hat nachgelassen und ich habe die Freude an Büchern ein Stück weit verloren. Ich bin auch schon lange nicht mehr von einem Buch völlig überrascht worden…
Es muss ein bisschen am Beruf liegen. Ich glaube nicht, dass ich nicht mehr neugierig bin. Aber man braucht auch einen Ausgleich. Wenn man hier (Anm.: am Arbeitsplatz) viel sitzt und liest… Ich habe den ganzen Tag mit Wörtern und Buchstaben zu tun. Dann will man am Rest des Tages nicht noch unbedingt lesen.
AB: Auf welche Frage hattest du, bezogen auf den Beruf, zuletzt keine Antwort? Und wo konntest Du die Antwort dann finden?
BR: Also, Wissensfragen sind es bei mir eher nicht. Eher sind es Fragen im Umgang miteinander, im Austausch mit den Kolleg*innen. Wenn man einen bestimmten Stand nicht hat oder zu bestimmten Bereichen nichts sagen kann. Es kommt echt selten vor, dass ich eine Frage gar nicht beantworten kann.
AB: Bezogen auf die SBB. Wenn Du drei Wünsche hättest, mit denen Du hier etwas verändern könntest, welche wären das?
BR: Das ist doch eine schöne Frage.
Ich würde gerne dafür sorgen, dass in der Staatsbibliothek, in allen Räumen, ein gutes Klima herrscht: Nicht zu warm, nicht zu kalt, nicht zu trocken, nicht zu feucht.
Ich würde mir auch wünschen, dass die Fenster überall geöffnet werden können.
Ich würde mir auch wünschen, dass die vielen Höfe und die Flächen begehbar und benutzbar sind für die Mitarbeitenden. Vielleicht teils auch für Benutzende, je nachdem, ob das baulich möglich ist. Wir haben Terrassen, wir haben Innenhöfe, wir haben kleine Balkone, und immer sind die Türen zu.
Mein dritter Wunsch wäre, dass ein Klima des Vertrauens und echten Wohlwollens herrscht. Also ein respektvoller Umgang miteinander, dass wirklich alle auf Augenhöhe miteinander reden. Das würde ich mir wünschen!
AB: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!
Das Interview fand am 28. Februar 2022 im Rahmen des FaMI-Takeovers des ersten und dritten Ausbildungsjahres statt.
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