„Kitwe-Jad. Jüdische Handschriften – restaurieren, bewahren, präsentieren“

Ausstellung zeigt Quellen jüdischer Kultur – weltweit größte hebräische Bibelhandschrift wird restauriert

Als eine ‚Eröffnung im doppelten Sinne‘ bezeichnet der Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin, Graham Jefcoate, die Eröffnung der Ausstellung „Kitwe-Jad. Jüdische Handschriften – restaurieren – bewahren – präsentieren“:

Nicht allein, dass die Staatsbibliothek zu Berlin im Beisein hochrangiger Vertreter des Staates Israel, der jüdischen Gemeinde Berlin, renommierter Forscher der Judaistik sowie ausländischer Wissenschaftler der Buchrestaurierung am 3. Juli 2002 eine Ausstellung mit 66 kostbaren jüdischen Handschriften aus dem eigenen Bestand eröffnet. Zugleich stellt die Staatsbibliothek jetzt der Öffentlichkeit erstmalig den Prozess der Restaurierung des zweiten Bandes der größten hebräischen Bibelhandschrift „Erfurt 1″ vor. In diesem Restaurierungsprozess gelang es, den seit dem Zweiten Weltkrieg aufgrund von Feuer- und Löschwasserschäden unbenutzbaren zweiten Band der Bibelhandschrift wieder zu öffnen. Die Seiten waren durch die Schäden so miteinander verklebt und verblockt, dass es nicht mehr möglich war, die Bibel aufzuschlagen.

Unter den Rednern und Gästen der Ausstellungseröffnung sind Mordechay Levy, Gesandter der Botschaft des Staates Israel in der Bundesrepublik Deutschland (Berlin), Dr. Andreas Nachama, Geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, Prof. Dr. Peter Schäfer, Institut für Judaistik der Freien Universität Berlin und der Princeton University, sowie Prof. Malachi Beit‑Arié,  Ludwig Jesselson Professor of Codicology and Palaeography an der Hebrew University of Jerusalem­.

Die hebräische Bibel „Erfurt 1″ wird seit 1999 bis voraussichtlich Ende 2005 in der Staatsbibliothek zu Berlin restauriert. Fertiggestellt im Jahr 1343, ist sie seit 1880 im Besitz der Bibliothek. Benannt ist diese kostbare Pergamenthandschrift seit etwa dreihundert Jahren nach ihrem ersten feststellbaren Besitzer, dem Evangelischen Ministerium in Erfurt. Die Pergamenthandschrift ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich: Sie besteht aus zwei Bänden; jeder dieser Bände hat ein Blattmaß von 47x63cm und wiegt ca. 50 Kilogramm. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bibel wegen ihrer Größe und ihres Gewichts nicht wie viele andere wertvolle Stücke der Bibliothek außerhalb Berlins sondern im Keller des damaligen Wirtschaftsministeriums in Sicherheit gebracht. Das Gebäude wurde jedoch von Bomben getroffen, die Bibel stark beschädigt.

Seit drei Jahren stellt sich die Staatsbibliothek der Herausforderung, diese  Pergamenthandschrift zu restaurieren. Ein spezielles Restaurierungskonzept wurde entwickelt, um der ungewöhnlichen Aufgabe gerecht zu werden. Die Dokumentation der ersten Schritte der Restaurierung der Hebräischen Bibelhandschrift „Erfurt 1″ ist ein Schwerpunkt der Ausstellung unter dem Titel „Kitwe-Jad. Jüdische Handschriften – restaurieren, bewahren, präsentieren“. In der Ausstellung sind acht der 546 Seiten der Bibel ausgestellt. Alle Seiten wurden bisher gesäubert und geglättet. Dieser erste Schritt der Restaurierung ist in einem 13-minütigen Dokumentarfilm nachzuvollziehen.

Den zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bilden 66 jüdische Handschriften aus dem Besitz der Orientabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin. Verfasst sind diese kostbaren Stücke nicht allein in Hebräisch, sondern auch in Altfranzösisch, Arabisch, Jiddisch, Judeo-Persisch und Samaritanisch. Zu den gezeigten Spitzenstücken gehört eine überdimensionierte Tora-Rolle (um 1300), eine prächtige italienische Renaissance-Handschrift der Psalmen, die vollständigste Handschrift der Tosefta, vermutlich um 1100 im südlichen Italien entstanden, und der sogenannte Hamilton Siddur, eine Liturgiehandschrift mit farbigen Grotesk-Initialen aus dem Spanien des 14. Jahrhunderts. Gezeigt werden auch einige Stücke aus der Kabbala-Sammlung, Kalenderwerke, astronomische Handschriften und Dokumente der jüdischen Aufklärung in Berlin aus dem 18. Jahrhundert.

Der mit vielen Farbabbildungen ausgestattete Ausstellungskatalog besteht – wie die Ausstellung selbst – aus zwei Teilen: Teil 1 „Jüdische Kultur im Spiegel der Berliner Sammlung“ bietet einen Überblick über die jüdische Buchkunst vom 12. bis zum 19. Jahrhundert; Teil 2 „Erste Schritte der Restaurierung der hebräischen Bibel ‚Erfurt 1’“ gibt einen Einblick in das Konzept und die Realisierung dieses außergewöhnlichen Projektes in der Restaurierungswerkstatt der Staatsbibliothek zu Berlin. Beide Bände sind in der Ausstellung zu einem Vorzugspreis zu erwerben, Teil 1 für 19 Euro, Teil 2 für 6 Euro.


Daten zur Ausstellung

„Kitwe‑Jad. Jüdische Handschriften – restaurieren, bewahren, präsentieren“
Donnerstag, 4. Juli – Samstag, 17. August 2002
Ausstellungsraum, Potsdamer Straße 33
10785 Berlin
Mo‑Fr 10‑19 Uhr, Sa 10‑17 Uhr; sonn‑ und feiertags geschlossen
Eintritt frei

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