Neuerwerbung DP-Literatur: „Undzer hofenung“ – Eschwege 1946 / 1947
Der Staatsbibliothek gelang es, die ersten 25 Nummern der äußerst seltenen Lagerzeitung „Undzer hofenung“ zu erwerben (4. Juni 1946 – 31. Januar 1947). Die Zeitschrift war das Organ des DP-Lagers Eschwege Airbase, das im Januar 1946 eröffnet wurde. Als DPs – Displaced Persons – bezeichnet man u.a. die jüdischen Überlebenden der Shoah, die im chaotischen Nachkriegsdeutschland strandeten und in Lagern von den Alliierten notdürftig versorgt wurden. Die meisten jüdischen Displaced Persons stammten aus Osteuropa, sie brachten auch ihre Kultur und vor allem ihre Sprache mit, das Jiddische. Das Bestreben der jüdischen Lagerinsassen war es, in das damals noch britisch besetzte Palästina zu gelangen und den Staat Israel zu gründen.
Die Kopfzeile zeigt den Titel der Zeitung auf Jiddisch in hebräischen Lettern: „Undzer hofenung“. Die aufgehende Sonne und die Siedlung mit Palmen weisen auch auf die Hoffnung der meisten Bewohner hin, ins „gelobte Land“ auswandern zu dürfen.
Die Sprache der Zeitung ist Jiddisch – und zwar in lateinischen Lettern – wohl weil kein hebräischer Drucksatz zur Verfügung stand. Später, z.B. schon in der Nr. 18 vom 22. November 1946 erscheinen manche Seiten dann auch in hebräischen Lettern.
Die Zeitung druckt Artikel des politischen Weltgeschehens, die im weitesten Sinne die Judenfrage betreffen, aber es findet sich auch eine Abteilung mit spezielleren Meldungen aus dem Lager – die „Lagerchronik“ ; wichtig ist ferner die Rubrik „Mir zuchn krojwim“, in der nach Verwandten (krojwim) in aller Welt gesucht wird, die die Katastrophe überlebt haben könnten. Abgedruckt sind auch erste literarische Versuche, das Geschehene zu verarbeiten. So gibt es beispielsweise Rezensionen über das Theaterstück „Ich leb“ oder Gedichte von Mates Olicki, einem ausdrucksstarken Dichter, über den heute kaum mehr etwas bekannt ist.
Die abgebildete Extra-Ausgabe „Ekstra-ojsgabe“ vom Dienstag, den 22. Oktober 1946 (27tn Tiszrej 5707 in jüdischer Zählung) bringt die örtlichen Wahlergebnisse zum 22. Zionistenkongress, der schließlich vom 9. bis zum 22. Dezember 1946 in Basel stattfand. Er war der letzte Kongress vor der Staatsgründung Israels, die am 14. Mai mit der Verkündung der israelischen Unabhängigkeitserklärung durch David Ben-Gurion vollzogen wurde.
David Ben-Gurion hat übrigens im Oktober 1946 im DP-Lager Eschwege, Airbase eine Rede gehalten, eine wenig bekannte Fußnote in der Weltgeschichte (Undzer hofenung, numer 15, zajt 3).
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