Neue Publikationsformate und ihre Finanzierung – ein ergänzter Workshopbericht zur Open Access-Transformation der Rechtswissenschaften

Einen ausführlich(er)en Tagungsbericht von Paula Hellmund (Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht) finden Sie nunmehr auch im aktuellen Heft der Zeitschrift Recht und Zugang – selbstverständlich im Open Access.

Auch elf Jahre nach Veröffentlichung des Durham Statement on Open Access to Legal Scholarship, eines Bekenntnisses der Bibliotheken zahlreicher amerikanischer Law Schools zur Beförderung des Prinzips des freien Wissenszugangs, hat der Transformationsprozess des rechtswissenschaftlichen Publikationssystems kaum an Fahrt aufgenommen: „The transition to Open Access of legal literature“ – so das Ergebnis einer kürzlich erschienenen empirisch-vergleichenden Studie – „is in its infancy. Legal studies feature some of the lowest Open Access rates.“ ***

Um dieses Bild mit höherer Tiefenschärfe zu betrachten und dabei vor allem die allzu oft als Hemmschuh wirkende Herausforderung, nachhaltige Geschäftsmodelle für offen zugängliche Publikationsformate zu entwickeln, näher in den Blick zu nehmen, fand am 10. Dezember 2020 ein virtueller Vernetzungs-Workshop statt. Eingeladen zu dieser primär an ein Fachpublikum aus wissenschaftlichen Bibliotheken gerichteten Veranstaltung hatten Open Access-Büro Berlin und Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung im Rahmen des von Seiten des BMBF geförderten Projekts open-access.network. Dass dieser Impuls offensichtlich einen Nerv traf, belegt die hohe Zahl von 97 Teilnehmenden aus Forschung, Verlagswesen, Bibliotheken und anderen Informationsinfrastruktureinrichtungen.

Eröffnet von der Keynote des geschäftsführenden Direktors des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie Thomas Duve, der sowohl Motivationen und Wegmarken der Open Access-Transformation seiner international renommierten Forschungseinrichtung als auch Risiken und Nebenwirkungen dieses Prozesses beleuchten sollte, gliederte sich die Veranstaltung in die beiden Themenblöcke ‚Neue Publikationsformate‘ und ‚Herausforderungen und neue Geschäftsmodelle‘.

Dabei zeigten die Impulsvorträge der ersten Sektion, dass auf den zentralen Handlungsfeldern von Open Research – Publikationen, Forschungsdaten, Lehrmaterialien, Software und Open Peer Review – inzwischen sehr wohl dynamische Aktivitäten von Seiten der Rechtswissenschaften zu konstatieren sind. Wie insbesondere der Erfolg juristischer Wissenschaftsblogs impliziert, dürfte diese Entwicklung nicht zuletzt aus der hohen gesellschaftlichen Relevanz der Disziplin resultieren sowie aus dem daraus abgeleiteten Bedarf an reagiblen und öffentlichkeitswirksamen Veröffentlichungsformaten.

Umgekehrt sind es denn gerade aber auch einige Spezifika des Fachs und seiner Publikationskultur – wie im Zuge der Nachmittagssektion einmal mehr offenbar wurde –, die einer fundamentalen Open Access-Transformation entgegenstehen. Angespielt ist damit zum einen auf die eminente ökonomische Dimension rechtswissenschaftlicher Forschung in Gestalt des Kanzleiengeschäfts juristischer Fachverlage. Zum anderen und damit verbunden zählen die Rechtswissenschaften zu den wenigen Disziplinen, in denen nach wie vor Honorare für Aufsätze, Monographien und vor allem Kommentarwerke gezahlt werden. Und schließlich resultiert aus dem relativen Fehlen durch Publikationsgebühren finanzierter Fachzeitschriften – nur 7% der aktuell im Directory of Open Access Journals verzeichneten Rechtstitel sind APC-basiert – eine strukturelle Benachteiligung des Fachs bei der Allokation der Finanzmittel institutioneller Open Access-Fonds.

Könnte die damit angesprochene Unwucht – so ein Strang der lebhaften Abschlussdiskussion – durch eine APC-Finanzierung zumindest solcher Wissenschaftsblogs abgemildert werden, die wie etwa Verfassungs- und Völkerrechtsblog aufwändige Redaktions- und Qualitätssicherungsmaßnahmen gewährleisten? Eröffnen nach dem Freemium-Modell konzipierte Overlay Journals möglicherweise Chancen für ein tragfähiges Geschäftsmodell von Open Access-Zeitschriften und Wissenschaftsblogs? Wie lässt sich die Bereitschaft gleichermaßen auf Seiten von Bibliotheken und Forschenden erhöhen, unter Vermeidung von Mitnahmeeffekten Subscribe to Open-Angebote zu unterstützen? Und welchen Beitrag können Forschungsfördereinrichtungen zur nachhaltigen Finanzierung prekärer, da nicht selten projektförmiger Open Access-Infrastrukturen leisten?

Fragen über Fragen, die im Rahmen eines vorrangig an ein akademisches Publikum gerichteten Folgeworkshops weiterdiskutiert werden sollen – oder aber im Kontext der nächsten Tagung des JurOA-Netzwerks, die im kommenden Jahr in Potsdam stattfinden wird.

Vortragsprogramm

_ Projektvorstellung: open.access.network

_ Projektvorstellung: Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung

_ Keynote: Zur Open Access-Transformation einer Forschungseinrichtung (Univ.-Prof. Dr. Thomas Duve)

Themenblock I: Neue Publikationsformate

_ Wissenschaftsblogs (Verfassungsblog | Völkerrechtsblog), Evin Dalkilic | Dr. Raffaela Kunz

_ Open Educational Resources (Open ReWi), Nikolas Eisentraut

_ Open Data, Dr. Dr. Hanjo Hamann

_ Elektronische Editionen (Die Schule von Salamanca), PD Dr. Christiane Birr

Themenblock II: Herausforderungen und neue Geschäftsmodelle

Perspektiven von:

_ Forschungsinstituten (Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte), Dr. Otto Danwerth & Nadine Gurris

_ scholarly-led Initiativen (Edition Rechtskultur), Univ.-Prof. Dr. Martin Löhnig

_ Wissenschaftsblogs (Verfassungsblog | Völkerrechtsblog), Evin Dalkilic | Dr. Raffaela Kunz

_ staatlichen Initiativen: (SciELO, AmeliCA u.a.), Dr. Christoph Müller

_ kommerziellen Verlagen (Nomos Verlagsgesellschaft), Prof. Dr. Johannes Rux

_ Finanzierungskonsortien (Kompetenzzentrum für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen), Friederike Glaab-Kühn

Alle gezeigten Präsentationen finden Sie auf der Veranstaltungswebsite.

 

*** Dies dokumentiert z.B. der Anteil rechtswissenschaftlicher Zeitschriften in:

Web of Science (Journal Citation Reports) Scopus (Scimago Journal Rank)
Open
Access
Closed Access OA-Anteil
in %
Open
Access
Closed Access OA-Anteil
in %
2019 4 151 2,58 101 650 13,45
2018 4 144 2,70 99 625 13,67
2017 2 148 1,33 90 600 13,04
2016 2 147 1,34 79 596 11,70
2015 2 147 1,34 67 582 10,32
2014 1 142 0,70 64 568 10,13

 

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