Tschechische und slowakische Antiquaria – Neuerwerbungen der Osteuropa-Abteilung
Seltene Schätze aus Tschechien und der Slowakei: Die Osteuropa-Abteilung der Staatsbibliothek in Berlin erweitert ihre Sammlung
Die 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, die sogenannte „Zwischenkriegszeit“, waren eine aufregende Epoche in der Geschichte der Tschechoslowakei. In dieser Zeit erlebte das Land eine kulturelle und politische Blüte, die sich auch in der Literatur widerspiegelte.
Aus dem renommierten Prager Antiquariát Valentinská erwarb die Osteuropa-Abteilung kürzlich eine faszinierende Sammlung von 14 monografischen Publikationen und 30 Zeitschriften und Zeitungen, die einen tiefen Einblick in diese historische Ära bieten.
Die Sammlung umfasst Werke von prominenten tschechischen Schriftstellern, wie František Langner, Karel Čapek und seiner Frau, der Schriftstellerin Olga Scheinpflugová. Diese Publikationen, die größtenteils im Verlag Aventinum in Prag herausgegeben wurden, geben einen einzigartigen Einblick in die Gesellschaft und die politischen Strömungen der Ersten Republik.
Karel Čapek war ein vehementer Gegner des Totalitarismus und setzte sich für die Werte der Demokratie und für Freiheit ein. Besonders bekannt ist sein Werk „R.U.R.“ (Rossum’s Universal Robots), in dem er dystopische Zukunftsvisionen entwarf, die heute noch von großer Relevanz sind.
Ein besonders wertvoller Teil der Sammlung sind seltene Zeitschriften, die der Arbeiterbewegung und der tschechischen Exilgemeinschaft gewidmet sind. Zeitschriften wie Praha – Moskva, VAR, Kruh und Na zdar sind in dieser Sammlung vertreten. Es handelt sich überwiegend um linksorientierte Literatur, die von sozialistischen und kommunistischen Idealen geprägt ist. Diese Zeitschriften sind von unschätzbarem Wert und spiegeln die politische Propaganda und die Auseinandersetzungen der Arbeiterbewegung in den 1920er Jahren wider.
Ein weiteres Highlight sind auch die Periodika der Auslandstschechen, die in Chicago, den Niederlanden, in Österreich und in der Sowjetunion erschienen. Diese halfen, die tschechische Identität in der Emigration zu bewahren und unterstützten die politische und soziale Revolution, die in Europa zu dieser Zeit stattfand.
Besonders hervorzuheben ist, dass viele dieser tschechischen und slowakischen Werke in einer Auflage erschienen, die heute nur noch schwer zu finden sind. Daher ist diese Erwerbung durch die Osteuropa-Abteilung der Staatsbibliothek ein bedeutender Schritt zur Erweiterung und Vertiefung der Sammlung zur ostmitteleuropäischen Kulturgeschichte.
Bis Februar 2025 sind folgende antiquarischen Veröffentlichungen in der Vitrine vor dem Osteuropa-Lesesaal zu sehen:
Svět Sovětů (Die Welt der Sowjets)
Praha : Svět Sovětů, 1932.
Signatur: Zsn 132227-2.1932/33
„Die Welt der Sowjets“ war eine illustrierte Wochenzeitschrift, die 1932 in Prag von der Gesellschaft für tschechoslowakisch-sowjetische Freundschaft gegründet wurde. Sie enthielt häufig Propagandamaterial zur Unterstützung der sowjetischen Regierung. Im Jahr 1967 hatte die Zeitschrift eine Auflage von etwa 3.000 Exemplaren und stellte 1968 ihr Erscheinen ein. Mit dem Ankauf der ersten beiden Jahrgänge konnten wir unseren bereits vorhandenen Nachkriegsbestand ergänzen und verfügen deutschlandweit über die umfangreichste Sammlung dieser Zeitschrift.
Weitere Informationen zu der Zeitschrift finden Sie im Stabikat und in der ZDB.
Nové Slovensko (Neue Slowakei)
Bratislava : 1939.
Signatur: 4″@Se 10965/198-1939
Die illustrierte Zeitschrift „Neue Slowakei“ wurde 1939 in Bratislava als erste repräsentative Zeitschrift der Slowakischen Republik herausgegeben. Die Propaganda-Monatszeitschrift enthält zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotografien von slowakischen Regierungsbeamten sowie Bilder aus der Slowakei und Deutschland im Zweiten Weltkrieg, die im exklusiven Stichtiefdruckverfahren hergestellt wurden. Das vorliegende Heft 8-9 illustriert die Wahl des katholischen Priesters und Politikers Jozef Tiso (1887-1947) zum slowakischen Staatspräsidenten. Nachdem er sich viele Jahre für die Autonomie der Slowakei engagiert hatte, wurde er letztlich aber Präsident eines slowakischen Marionettenstaates während des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Krieg wurde er 1947 für seine Kollaboration mit den Nazis zum Tode verurteilt. Tiso bleibt eine umstrittene Figur in der slowakischen Geschichte.
Weitere Informationen zu der Zeitschrift finden Sie im Stabikat und in der ZDB.
Nezval, Vítězslav: Pantomima (Pantomime)
Praha : Ústřední studentské knihkupectví a nakladatelství, 1924.
Signatur: 3 B 15125
Vítězslav Nezval (1900-1958) war ein tschechischer Dichter und Schriftsteller. Sein reiches dichterisches Werk spiegelt die Entwicklung der tschechischen Avantgarde-Dichtung in der Zwischenkriegszeit vom Poetismus zum Surrealismus wider. Sein zweiter Gedichtband „Pantomime“, den er mit 24 Jahren veröffentlichte, gilt heute als ein Juwel der tschechischen poetischen Kultur des 20. Jahrhunderts.
Weitere Werke des Autors und über Vítězslav Nezval finden Sie im Stabikat
Čapek, Karel : Věc Makropulos (Die Sache Makropulos)
Praha : Aventinum, 1922.
Signatur: 3 A 252904
„Die Sache Makropulos“ ist ein Theaterstück des tschechischen Schriftstellers und Dramatikers Karel Čapek (1890-1938), das am 21. November 1922 am Stadttheater in Vinohrady in Prag uraufgeführt wurde. In diesem humorvollen Science-Fiction-Stück geht es um die Unsterblichkeit und die Frage, ob Menschen ihr Leben künstlich verlängern dürfen. Die typographische Gestaltung des Buchumschlags stammt von seinem Bruder Josef Čapek (1887-1945).
Weitere Werke des Autors und über Karel Čapek finden Sie im Stabikat
Čapek, Karel: R.U.R. Rossum’s Universal Robots
Praha : Aventinum, 1926.
Signatur: 3 A 252899
Karel Čapeks brillantes, weltberühmtes Werk „R.U.R.“ wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Das Science-Fiction-Drama warnt vor den negativen Auswirkungen der Technologie auf die Menschheit. Čapek erinnerte sich an den Missbrauch der Technik im Ersten Weltkrieg. Das Wort „Roboter“, das von seinem Bruder Josef Čapek geprägt wurde, erscheint zum ersten Mal in diesem Stück.
Langer, František: Grand Hotel Nevada
Praha : Aventinum, 1927.
Signatur: 3 A 252903
Der tschechische Schriftsteller und Militärarzt František Langner (1888-1965) betrachtete sich selbst als Bohemien. In den Jahren 1935-1938 leitete er die Dramaturgie des Theaters im Prager Stadtteil Vinohrady (Weinberge). Seine Freundschaft mit den Brüdern Čapek prägte ihn stark. Langner schrieb Theaterstücke, Josef Čapek gestaltete die Bühnenbilder. Das Stück „Grand Hotel Nevada“ ist eine Satire auf die Dummheit der Reichen.
Weitere Werke des Autors und über František Langer finden Sie im Stabikat
Langer, František: Velbloud uchem jehly (Das Kamel geht durch das Nadelöhr)
Praha : E.K. Rosendorf, 1927.
Signatur: 3 A 252902
Beim Schreiben des Theaterstückes „Das Kamel geht durch das Nadelöhr“ ließ sich der Autor von einer Kellerwohnung in Prag inspirieren. Das Stück spiegelt Langers damalige Lebenssituation wider, als er nach der Geburt seiner Tochter friedliches Familienglück erlebte. Der Autor selbst sagt über diese humorvolle Geschichte am Ende des Stücks: „Sie ist trivial, aber nirgends ist sie sentimental“.
Scheinpflugová, Olga: Láska není všecko (Liebe ist nicht alles)
Praha : Aventinum, 1929.
Signatur: 3 A 252901
Olga Scheinpflugová (1902–1968) war eine tschechische Schriftstellerin, Schauspielerin und Ehefrau des Schriftstellers Karel Čapek. Ihr Drama „Liebe ist nicht alles“ (1929) ist das dritte Werk, in dem sie die Stellung der modernen Frau und die sozialen Unterschiede ihrer Zeit kritisierte. Scheinpflugová hebt die Unterschiede zwischen den unteren und oberen Gesellschaftsschichten hervor.
Weitere Werke der Autorin und über Olga Scheinpflugová finden Sie im Stabikat.
Scheinpflugová, Olga: Zabitý (Getötet)
Praha : Aventinum, 1927.
Signatur: 3 A 252900
Olga Scheinpflugová beschrieb ihr Stück „Getötet“ im Untertitel als eine Komödie in drei Akten mit Vorspiel. Sie war eine hervorragende Dramatikerin und Schauspielerin. Die Uraufführung fand 1927 im Prager Theater in Vinohrady mit Scheinpflugová in der Hauptrolle statt. Eines der Hauptthemen des Stücks sind Liebe und Hass sowie die Konfrontation zwischen Armen und Aristokratie.
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Kontakt und Wissenswertes zum Thema
- Ihre Hinweise und Anregungen sowie Vormerkungswünsche auf Bücher in der Ausstellung nehmen wir im Referat Wissenschaftliche Dienste und Informationsvermittlung der Osteuropa-Abteilung gern entgegen.
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- Für spezielle Recherchen können Sie sich auch an die Referent:innen der Osteuropa-Abteilung wenden.
Weitere Informationen, auch zu unseren Neuerwerbungen, finden Sie auf diesen Seiten:
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