Normative Rahmenbedingungen & juristische Gestaltungsoptionen der Digitalisierung & Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte – ein praxisorientiertes Forschungsprojekt

Gerade das Förderhandeln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) versetzt Archive, Bibliotheken und Museen in die Lage, der Forschung ein immer breiteres Fundament an digitalisierten historischen Quellen im Open Access zugänglich zu machen. Angesichts der für Werke aus der Zeit vor 1918 inzwischen vergleichsweise günstigen Angebotssituation wächst auf Forschungsseite zunehmend die Erwartung an Sammlungseinrichtungen, auch ihre jüngeren Bestände umfassend zu digitalisieren und unter möglichst liberalen Bedingungen für wissenschaftliche Zwecke bereitzustellen. Diesem durch die Pluralisierung digitaler Forschungsmethoden zusätzlich gesteigerten Bedarf stehen jedoch vielfältige rechtliche Hürden entgegen, die über das Urheber- und Leistungsschutzrecht hinaus auf das Archiv-, Persönlichkeits- und Datenschutzrecht wie auch auf zahlreiche weitere Rechtsgebiete ausgreifen.

Um Kulturerbeeinrichtungen einen Handlungskorridor zur rechtssicheren Schließung dieser Leerstelle zu schaffen und flankierend auch den Wirkungsradius ihres Förderprogramms Digitalisierung und Erschließung zu erweitern, hat die DFG eine explorative Pilotphase zur Digitalisierung und Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte initiiert. Diese von der Staatsbibliothek zu Berlin (Stabi) koordinierte Maßnahme umfasst vier komplementäre Subbereiche: 1. rechtliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen, 2. standardisierte Rechtebeschreibung, 3. Präsentationssysteme und Rechtemanagement sowie 4. abgeleitete Textformate und Derivate. Nachdem die Stabi bereits vor einigen Wochen mit einem Gemeinschaftsantrag mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden auf dem zweiten Arbeitsfeld erfolgreich war, freuen wir uns nunmehr auch über die Bewilligung eines weiteren Pilotprojekts: Normative Rahmenbedingungen und juristische Gestaltungsoptionen der Digitalisierung und Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte – wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen und Vorgehensmuster für die spartenübergreifende Praxis.

Ziel dieses in Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Katharina de la Durantaye (Humboldt-Universität zu Berlin) und Univ.-Prof. Dr. Benjamin Raue (Universität Trier) konzipierten Vorhabens ist es, in material- wie spartenübergreifender Perspektive Optionen und Modi der Nutzung von Recht als Ermöglichungsinstrument zur Digitalisierung und wissenschaftsadäquaten Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte in Archiven, Bibliotheken und Museen aus juristischer Forschungsperspektive zu explorieren. Die anhand konkreter Fallbeispiele aus mehreren Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gewonnenen Ergebnisse sollen verallgemeinert und als Blaupause in Form von Leitfäden, Best Practices, Checklisten und Musterdokumenten anderen Gedächtniseinrichtungen zur freien Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden. Dabei sind insbesondere drei verschiedene juristische Möglichkeitsräume in den Fokus zu nehmen: 1. die von Schranken markierten gesetzlichen Spielräume, 2. Potential und Reichweite von Lizenzen sowie 3. die Gestaltungsdimensionen der Legislative. An die Vermessung der Schranken für Wissenschaft und Forschung sowie der nur lizenzrechtlich bzw. auf legislativem Wege zu erschließenden Handlungsfelder ist zudem die Erwartung geknüpft, sowohl die übrigen Projekte der Pilotphase juristisch zu fundamentieren als auch zur künftigen Ausgestaltung des durch sie vorbereiteten regulären Förderinstruments der DFG beizutragen.

Konkret geht es bei der vorgesehenen rechtswissenschaftlichen Sondierung der juristischen Rahmenbedingungen, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten der digitalen Bereitstellung rechtebehafteter Sammlungsmaterialien unter Berücksichtigung der gängigsten forschungspraktischen Nutzungsszenarien um Folgendes: Das Vorhaben intendiert anhand von repräsentativen Beispielfällen die Modellierung und Erprobung möglichst niedrigschwelliger generischer Workflows zur juristischen Bewertung und Risikoabschätzung entsprechender nichtkommerzieller Digitalisierungsabsichten von Archiven, Bibliotheken und Museen für Forschungszwecke. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei der Übertragbarkeit des vorgeschlagenen Vorgehens auf andere, auch ausländische Sammlungen und Objekte zu widmen sowie der Gradierung der zu gewährenden Zugangs- und Nutzungsrechte für Dritte. Namentlich sollen – um wenige weitere Anwendungsfälle jenseits der genannten, im Fokus des Vorhabens stehenden urheber- und leistungsschutzrechtlichen Problemlagen anzuführen – die folgenden juristischen Dimensionen in den Blick genommen werden: a.) die Persönlichkeitsrechte abgebildeter oder in Briefen erwähnter Personen, b.) die datenschutzrechtliche Behandlung personenbezogener Daten in Schriftwechseln und c.) die strafrechtskonforme digitale Zugänglichmachung verfassungsfeindlicher und anderer inkriminierter Inhalte.

Als zentrales Fallbeispiel dient diesem Pilotprojekt der von der Stabi, der Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin sowie der Stiftung Deutsche Kinemathek gemeinsam betreute multimediale Nachlass der Fotografin und Filmemacherin Leni Riefenstahl, der nicht nur in ethischer Dimension als ausgesprochen schwieriges Erbe gelten muss, sondern auch mit Blick auf die Vielzahl der an seinem Beispiel zu generalisierenden und musterhaft zu klärenden juristischen Problemlagen der Digitalisierung und Bereitstellung (noch) rechtebewehrter Objekte. Zur Vervollständigung des Gesamtbilds unter materialem wie juristischem Aspekt will das Vorhaben flankierend zeitgenössische (Medien-)Kunst aus der Sammlung der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart sowie Tonträger und andere Datenbankwerke aus dem Musiknachlass des weltbekannten Dirigenten Claudio Abbado in der Stabi einbeziehen.

Projektnummer: 564333302

 

 

0 Kommentare

Ihr Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.