Gemeinsame Restitution: 14 Bibliotheken und Archive geben Bücher aus der Sammlung Raoul Fernand Jellinek-Mercedes zurück
In einer von der Deutschen Nationalbibliothek koordinierten gemeinsamen Restitution haben 14 deutsche Bibliotheken und Archive, darunter die Staatsbibliothek zu Berlin, insgesamt 41 Bücher aus dem Eigentum des österreichischen Schriftstellers Raoul Fernand Jellinek-Mercedes (1888 Algier–1939 Baden bei Wien) zurückgegeben. Jellinek-Mercedes wurde nach dem ‘Anschluss’ Österreichs im März 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt. Unter dem Druck der Repressionen nahm er sich im Februar 1939 das Leben.
Im Zuge der Provenienzforschung sind in den letzten Jahren 41 Bände aus der Sammlung Jellinek-Mercedes‘ identifiziert worden. Die Bücher wurden an die Gemeinschaft der Erbinnen und Erben Raoul Fernand Jellinek-Mercedes zurückgegeben. Sie konnten im Sinne einer gerechten und fairen Lösung anschließend für die Sammlungen der Bibliotheken wieder angekauft werden.
Die koordinierte, gemeinsame Restitution verdeutlicht, wie wichtig eine systematische Bestandsprüfung in Bibliotheken auch 80 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus ist und wie sehr die Suche von der Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen profitiert. Ermöglicht wurde die Kooperation nicht zuletzt durch den Austausch im Arbeitskreis Provenienzforschung und Restitution – Bibliotheken. Dieser setzt sich dafür ein, Fälle institutionenübergreifend zu bündeln und so die Erb*innen bei den Rückgabeverhandlungen zu entlasten.
Raoul Fernand Jellinek-Mercedes war förderndes Mitglied des Wiener Musikvereins und besaß eine große Sammlung von Musikalien, Gemälden und Büchern. Nach seinem Tod war seine Witwe Léopoldine Weiss (1885–1981) gezwungen, große Teile der Sammlung zu veräußern. Darunter befand sich die wertvolle Privatbibliothek, die anschließend über den Antiquariatshandel völlig zerstreut wurde.
Die 41 Bände wurden in den folgenden Bibliotheken aufgefunden:
- Bayerische Staatsbibliothek München
- Bibliothek des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Potsdam (vertreten durch das Fachinformationszentrum der Bundeswehr, Bonn)
- Bibliothek des Zentrums Informationsarbeit Bundeswehr Strausberg (vertreten durch das Fachinformationszentrum der Bundeswehr, Bonn)
- Deutsches Literaturarchiv Marbach
- Deutsche Nationalbibliothek Leipzig
- Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Klassik Stiftung Weimar
- Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek Speyer
- Leipziger Städtische Bibliotheken
- Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
- Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
- Stadtbibliothek Chemnitz
- Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt
- Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg Frankfurt am Main
- Württembergische Landesbibliothek Stuttgart
Die Werke decken ein breites Themenspektrum ab. Sie reichen von Biografien über Bücher zur Buchillustration, zeitgenössischer Musik und Literatur bis hin zu militärhistorischen Abhandlungen. Die Dokumentation der Funde erlaubt eine zumindest teilweise Rekonstruktion der Bibliothek Jellinek-Mercedes’ und zeugt von der Vielfalt und dem hohen Anspruch der Sammlung eines universal interessierten Bildungsbürgers.
In der Staatsbibliothek zu Berlin wurden sechs Exemplare der Provenienz Raoul Fernand Jellinek-Mercedes identifiziert. Sie gelangten in den Jahren ab 1959 in den Bestand der damals Deutschen Staatsbibliothek in Ost-Berlin. Die Staatsbibliothek ist sich ihrer besonderen Verantwortung bei der Suche nach NS-Raubgut in ihren Beständen bewusst. Sie kommt dieser seit inzwischen mehr als zwei Jahrzehnten im Rahmen gezielter Projekte sowie als Daueraufgabe nach.
Weitere Informationen zu den restituierten Werken: https://provenienz.gbv.de/Raoul_Fernand_Jellinek-Mercedes

Objekte aus dem früheren Eigentum von Raoul Ferdinand Jellinek-Mercedes, identifiziert in den Beständen der Staatsbibliothek zu Berlin. © Stabi Berlin
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