Digitale Lektüretipps 3: Italiens Kulturerbe online
Ein Beitrag aus unserer Reihe Sie fehlen uns – wir emp-fehlen Ihnen: Digitale Lektüretipps aus den Fachreferaten der SBB
Wer hätte gedacht, dass die Rahmenhandlung aus Boccaccios Decamerone, von dem die Staatsbibliothek ein eigenhändiges Autograph des Dichters besitzt (zu bewundern in unseren Digitalisierten Sammlungen), 650 Jahre nach der Niederschrift eine so bittere Aktualität erfahren würde.
Sieben junge Frauen und drei junge Männer flüchten aus der pestverseuchten Stadt Florenz aufs Land und vertreiben sich die Zeit, indem sie an zehn Tagen je zehn Geschichten erzählen. „Etwa zu Frühlinganfang des genannten Jahres [1348] begann die Krankheit schrecklich und erstaunlich ihre verheerenden Wirkungen zu zeigen. (…) Dabei schien es, als ob zur Heilung dieses Übels kein ärztlicher Rat und die Kraft keiner Arznei wirksam oder förderlich wäre. (…) “ Die Läden blieben geschlossen, kein Handwerker arbeitete, Gottesdienste fanden kaum noch statt, Tote wurden hastig in Massengräbern verscharrt, die gewohnte Ordnung zerbrach. Nachzulesen z.B. in einem Digitalisat der University of Toronto Library im Internet Archive.
Im Italien des Jahres 2020 ist das kulturelle Leben schon einige Zeit länger als bei uns zum Erliegen gekommen. Wir möchten Ihnen heute vorstellen, wie Sie sich das Patrimonium des Bel Paese in diesen schwierigen Zeiten wenigstens auf den Bildschirm holen können.
Europeana
Vielleicht kennen Sie Europeana, die Datenbank, die Zugang zu mehr als 50 Millionen Objekten in digitalisierter Form aus tausenden europäischen Kulturerbe-Einrichtungen bietet. Sie können Ihr Suchwort eingeben und dank einer Reihe von Filtern die Ergebnisse einschränken. Ja, man findet auch Darstellungen von italienischen Krankenhäusern, vom menschenleeren Platz vor dem Mailänder Dom. Gar nicht so einfach, diesen Filter im Kopf im Moment mal abzuschalten. Musik auf Balkonen wird dann wohl erst später in die Datenbank eingehen.
Europeana bietet neben der freien Suche auch virtuelle Ausstellungen, z.B. zu Leonardo da Vincis Plänen eines kolossalen Reiterstandbildes für Francesco Sforza, nie realisiert. Oder zu europäischen Landschaften mit mehreren hochaufgelösten Venedigdarstellungen (sauberes Wasser inklusive…). Auch Zeitgenössisches – noch unter Copyright – ist aufrufbar, z.B. das Archiv des Stofffabrikanten Missoni, wie farbenfroh, oder über 13.000 Designer-Schuhe aus dem Museo della Calzatura Rossimoda.
CulturaItalia – Italiens Kulturerbe online
Jede Webseite hat ihre eigenen Recherchezugänge. Europeana wird gespeist aus vielen europäischen Zulieferer-Datenbanken (Aggregatoren). Der italienische Aggregator (und damit das Pendant zur Deutschen Digitalen Bibliothek) ist die Datenbank CulturaItalia, die genau wie Europeana Zugang zu Metadaten und digitalisierten Sammlungen aus italienischen Bibliotheken, Archiven und Museen bietet, wiederum also vor allem urheberrechtsfreie Quellen. Insgesamt über 3,4 Millionen. Das grenzt die 50 Millionen in Europeana doch schon mal hübsch ein. Und alles aus Italien.
Die Datenbank hat einen Ableger zu italienischen Museen. Hier findet man auch virtuelle Rundgänge durch einzelne „musei“. Hat man erst einmal die neueste Version des Adobe Flashplayers heruntergeladen, kann man sich zum Beispiel zu feierlichen Tochter-Zion-Klängen im Archäologischen Museum von Altamura über die Prähistorie des Brotes informieren.
Doch genug der virtuellen Räume, kommen wir zu handfesten Metadaten: Auch der italienische Verbundkatalog SBN (Servizio Bibliotecario Nazionale) ist über CulturaItalia abfragbar. Dieser Katalog speist sich aus den Daten von über 6500 Bibliotheken und enthält fast 18 Millionen bibliographische Daten.
Internet Culturale – italienische digitalisierte Sammlungen aus Bibliotheken online
Digitalisate aus italienischen Bibliotheken und andere Kultureinrichtungen finden Sie auch unter www.internetculturale.it, auch hier vor allem Titel bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Wenn Sie in der digitalen Bibliothek neuere Bücher suchen, die noch unter Urheberschutz stehen, finden Sie oft „nur“ den Umschlag, das Titelblatt, das Inhaltsverzeichnis und den Klappentext digitalisiert vor. Alternativ können Sie sich im Internet Culturale über den Menüpunkt „Esplora“ zu den „Collezioni Digitali“ leiten lassen und sich dort anhand von Kurzbeschreibungen über die hier zusammengeführten mehr als 230 thematisch ausgerichteten Digitalisierungsprojekte aus einzelnen Einrichtungen informieren. Was Sie – jeweils mit einem Klick auf „Vedi biblioteca digitale“ – dort entdecken können? Zum Beispiel:
- das Portal der eigenhändigen Handschriften bedeutender Schriftsteller (ALI – Autografi dei letterati italiani),
- Fotoarchive aus verschiedenen Bibliotheken (z.B. des Mailänder Fotografen Emilio Sommariva, der Diven und Priester porträtierte)
- die Sammlung historischer Musikzeitschriften des Centro internazionale periodici musicali in Parma und
- eine unglaubliche Sammlung polyphoner liturgischer und weltlicher Musikhandschriften des 15. Jahrhunderts aus Norditalien,
- historische Karten und Atlanten aus der Biblioteca Riccardiana in Florenz,
- Bibeldrucke des 16. Jahrhunderts aus der Nationalbibliothek Florenz,
- griechische und lateinische mittelalterliche Handschriften,
- Tageszeitungen aus der Zeit des Risorgimento,
- italienische Klassiker (Biblioteca Italiana (BibIt)),
- Kostümzeichnungen, Nachlässe, Zeichnungen venezianischer Schiffe und vieles mehr.
In der Emeroteca warten über 3000 vornehmlich ältere digitalisierte Zeitschriften darauf, durchstöbert zu werden. Dazu klickt man in der oberen Leiste auf das Jahr und die gewünschte Ausgabe.
Auch über Internet Culturale ist wieder der italienische Verbundkatalog abfragbar. Außerdem sind noch ca. 68 000 Daten zu italienischen Drucken des 16. Jahrhunderts (Edit16), 265 000 Handschriftenbeschreibungen (Manus) sowie 8500 Tondokumente zugänglich.
Schreiben Sie uns in die Kommentare, zu welchen Online-Ressourcen Sie sich nähere Informationen wünschen. Oder nutzen Sie unser Auskunftsservice, der auch in Home-Office-Zeiten zu Ihrer Verfügung steht: https://staatsbibliothek-berlin.de/service/auskunft/
Statemi bene.
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