Felix verleiht Flügel! – Eine bisher unbekannte Quelle zu einem bekannten Mendelssohn-Lied
Auch wenn Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) mehr als 100 klavierbegleitete Lieder hinterlassen hat, sind seine Liedkompositionen im heutigen Konzertleben weit weniger präsent als diejenigen seiner Zeitgenossen Franz Schubert (1797-1828) und Robert Schumann (1810-1856).
Zu den wenigen Lieder, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreuen, gehört Mendelssohns Vertonung des Gedichtes „Auf Flügeln des Gesanges“ MWV K 86 von Heinrich Heine. Erstmals erschien dieses Lied im Jahr 1837 als Teil der Druckausgabe Sechs Gesänge mit Begleitung des Pianoforte op. 34, die – wie bei Mendelssohn üblich – Lieder aus verschiedenen Kompositionsjahren vereinigt. Wann genau das Lied aber entstanden ist, war indes bisher nur indirekt zu erschließen, da das Kompositionsautograph nicht bekannt war.
Diese bisher unbekannte Quelle konnte die Staatsbibliothek nun aus Privatbesitz erwerben. Datiert auf „Düsseldorf, den 22ten April 1835“, dokumentiert das Blatt die intensive kompositorische Arbeit Mendelssohns insbesondere an der Melodielinie der Singstimme. Dabei zeigt sich, dass in der ursprünglichen Lesart die Melodie deutlich „zerklüfteter“ war; erst durch Mendelssohns Korrektur ergab sich der wiegende Duktus, der an den im Text assoziierten Flügelschlag gemahnt. Abweichend vom Erstdruck steht das Lied außerdem hier in Es-Dur statt in As-Dur, ist also für eine eher tiefe Singstimme konzipiert.
Auf der Rückseite enthält das Blatt die Erstniederschrift eines weiteren Liedes „Was will die einsame Träne“ MWV K 94, das ebenfalls ein Gedicht von Heine zur Grundlage hat; auch hier hat Mendelssohn die ursprüngliche Niederschrift im Nachhinein erheblich modifiziert. Außerdem findet sich hier ein Hinweis zur Überlieferungsgeschichte: nach einer Notiz von Mendelssohns Freund Julius Schubring (1806-1889) hat er das Blatt von Mendelssohn zum Geschenk erhalten hat. Unter den Nachfahren Schubrings wurde es von Generation zu Generation weitervererbt, bis es jetzt nach Berlin gelangte und hier erstmals für Wissenschaft und Forschung zugänglich ist.
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