„iurisprudentia.online“ – Recht digital!
Ein Beitrag unter Mitwirkung von Prof. Dr. Walter Boente (Universität Zürich)
Neben den vielfältigen Digitalisierungsaktivitäten der Staatsbibliothek zu Berlin im Allgemeinen, die in Gänze in den „Digitalisierten Sammlungen“ der Bibliothek betrachtet werden können, stellen die Digitalisierungsbemühungen des Fachinformationsdienstes für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung (FID ²) im Konkreten eine nicht zu vernachlässigende Größe dar. Besonders hervorzuheben sind hier die Preußischen Rechtsquellen, das Kooperationsprojekt mit dem Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie, Juristische Zeitschriften 1703-1860, und das „Deutsche Territorialrecht des 19. Jahrhunderts“. Um den aktuellen Bedarf von Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern an digitalen Ausgaben rechtshistorischer Werke zu bedienen, bietet der FID ² zusätzlich noch einen Service für die Digitalisierung on Demand an. Im Rahmen dieses Angebotes wurden bereits über 460 Werke digitalisiert. Der Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung betrachtet dies als einen seiner Beiträge für die öffentliche Zugänglichmachung von Wissen und zur Beförderung des Open Access in der Rechtswissenschaft, eines Paradigmas, zu dem sich der FID bekennt.
Dass solche Digitalisierungsmaßnahmen auch Früchte tragen und bei der wissenschaftlichen Community ankommen, belegt das Projekt „iurisprudentia“ des Lehrstuhls für Privatrecht mit Schwerpunkt ZGB der Universität Zürich, Prof. Dr. Walter Boente. Ziel dieses Projekts ist es, das über Jahrhunderte gewachsenen Textkorpus „Recht“, zusammengesetzt aus Rechtsetzungswerken, Rechtsprechung sowie Arbeiten der Rechtswissenschaft, digital zugänglich(er) zu machen und aufzuarbeiten. Im Rahmen von „iurisprudentia“ werden Rechtstexte digitalisiert und bereits frei verfügbare Digitalisate an einem Ort zusammengeführt – nicht zuletzt auch diejenigen der Staatsbibliothek zu Berlin. Die Dokumente werden im Volltext erkannt bzw. Handschriften, mit unterschiedlicher, teilweise überraschend hoher Genauigkeit, automatisch transkribiert (bspw. handschriftliche Protokolle aus der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder handschriftliche Tagebucheinträge des Schweizer Rechtswissenschaftlers Eugen Huber). Zugleich ist es möglich, sich auf der Plattform einzuloggen und eventuell fehlerhafte Transkriptionen gleich selbst zu korrigieren. Jeder Beitrag zur Verbesserung der Transkriptionen trägt zugleich zur Verbesserung der hinter der Plattform liegenden Erkennungsmodelle bei. Der Schwerpunkt des Projekts liegt zunächst auf historischen Materialien des deutschen, österreichischen und schweizerischen Rechts. Nach erfolgreicher Pilotphase sollen jedoch noch vermehrt auch andere Rechtskreise erschlossen werden. Neu hinzugetreten ist nun etwa bereits eine Edition zum Polnischen Obligationengesetzbuch aus dem Jahre 1933.
Screenshots aus „iurisprudencia.online“Über „iurisprudentia“ werden die Digitalisate und das so gewonnene Textkorpus vom heimischen Schreibtisch aus für Rechtswissenschaftler*innen und Historiker*innen „auf einen Klick“ frei verfügbar und in seiner Gesamtheit durchsuch-, auswert- und bearbeitbar sein. Zugleich gewinnt auch die (Computer-)Linguistik einen neuen Forschungsgegenstand, sind doch heutige Rechtstexte häufig hinter Bezahlschranken verborgen und war auch das historische Textkorpus „Recht“ noch nie in diesem Umfang zugänglich. Auch wenn es sich bei der Plattform «iurisprudentia» um eine Laborversion handelt, die in einem noch sehr frühen Entwicklungsstadium veröffentlicht wurde, ist ein deutlicher Mehrwert bereits erkennbar – nicht zuletzt in Zeiten beschränkter Zugänglichkeit von Bibliotheken und Archiven.
In Zukunft werden der Fachinformationsdienst für interdisziplinäre Rechtsforschung und Prof. Boente direkt zusammenarbeiten, indem der FID über seinen Service zur Digitalisierung on Demand weitere ausgewählte Inhalte aus dem Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin für das Projekt zur Verfügung stellt. Soweit sich auch andere Bibliotheken fortlaufend an diesem Projekt beteiligen, könnte ein einzigartiges und unikales Portal entstehen, das der rechtshistorischen und geltendrechtlichen Forschung gänzlich neue Perspektiven eröffnet.
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