Microservices, Dokumentenmanagement
In diesem Beitrag unserer Blogserie zum Thema Microservices möchte ich die Vorteile dieses Architekturstiles an einem konkreten Beispiel einer Bibliotheksanwendung aufzeigen. Die hier erläuterten Erfahrungen haben wir in unserem Microservices Projekt im Bereich der Nachweissysteme machen dürfen und möchten diese gerne weiter geben.
Im Laufe unserer Arbeit für die Staatsbibliothek sind durch die Fachabteilungen für unterschiedlichste Anwendungen sehr häufig ähnliche oder gar identische Anforderungen genannt worden. Eine sehr oft formulierte Anforderung war das Management von XML-Dateien. Diese sollten in der Regel abgelegt, verändert, validiert, transformiert oder indiziert werden. Zielstellung dieses Verarbeitungsprozess war in der Regel die Präsentation der im XML enthaltenden Daten im Web.
Die klassische Herangehensweise bereits umgesetzter Projekte war hierbei die Evaluierung und Auswahl eines geeigneten Dokumentenmanagementsystems (DMS) und die Umsetzung der fachlichen Anforderungen innerhalb des DMS. Dabei wurden die im Bibliothekswesen sehr verbreiteten Systeme Mycore, Fedora, DSpace oder aber auch XML Datenbanken verwendet. Diese Systeme bieten in der Regel eine maschinelle Schnittstelle um die XML Dateien zu importieren, exportieren und zu manipulieren. Je nach DMS bietet dieses weitere Funktionen, wie zum Beispiel:
- Generierung eines Indexes zur Suche,
- Generierung einer Webpräsentation,
- OAI-Schnittstelle,
- Aufnahme von Metadaten,
- Rechtemanagement,
- Clusterbetrieb,
- Massenverarbeitung
Dabei werden die DMS Funktionalitäten entweder direkt durch eine Webpräsentation oder aber durch eine selbst entwickelte Clientanwendung benutzt. Was aber ist nun problematisch oder beziehungsweise waren die negativen Erfahrungen mit solch einem Aufbau?
Ein problematischer Punkt war in der Regel ein Versionswechsel des DMS. Am Beispiel der Weiterentwicklung von der Fedora Version 3 zu der Fedora Version 4 ist die Schnittstelle des Fedora 4 Systems nicht kompatibel mit der des Altsystems. Diese fehlende Abwärtskompatibilität verursacht einen hohen Entwicklungsaufwand, sobald die Clientanwendung oder die Webpräsentation, basierend auf Fedora 3, auf ein Fedora 4 System migriert werden soll. Diese Aufwände sind technisch notwendig, bringen dem Anwender aber keine neue Funktionalität. Diese Tatsache macht die Rechtfertigung des entstehenden Aufwandes sehr schwer. Was wiederum dazu führen kann, dass die Gesamtanwendung nicht zeitnah weiterentwickelt werden kann.
Ein weiterer Punkt ist die Tatsache, dass die gesamte Fachlogik sehr häufig ebenfalls mit den Möglichkeiten der Dokumentenmanagementsysteme oder deren technischen Funktionen umgesetzt worden sind. Dies bedeutet, dass zum Beispiel die Art und Weise des Nachweises, die fachliche Objekte und die Workflows dort implementiert worden sind. Nicht nur bei einer inkompatiblen Migration, sondern auch bei einem Wechsel der DMS-Software müssen die fachlichen Objekte und Workflows neu entwickelt werden. Ebenfalls aufführen möchte ich hier die fehlende Nachnutzbarkeit. Werden durch eine andere Fachabteilung ähnliche Anforderungen in einem anderen Projekt geäußert, können die bereits entwickelten Funktionen nicht noch einmal verwendet werden. Dies basiert in der Regel auf der sehr engen Integration von Clientanwendung oder Webpräsentation und DMS. Auch im Betrieb solcher Systeme haben sich problematische Punkte aufgezeigt. Ein Ausfall des DMS hat direkt einen kompletten bzw. teilweisen Ausfall der Webpräsentation zur Folge. Eine Veränderung der Konfiguration der DMS-Komponente hat ebenfalls direkte Auswirkungen auf die Webpräsentation. Wartungsarbeiten am DMS bedeuten in der Regel einen Ausfall der Webpräsentation.
Aber wie kann nun die Microservice-Architektur in den aufgeführten Punkten eine mögliche Lösung darstellen?
Um mögliche Inkompatibilitäten zwischen Versionen eines Dokumentenmanagementsystems oder gar einen Wechsel eines Produktes zu ermöglichen, muss die Clientanwendung oder Webpräsentation von der Dokumentenmanagementsoftware entkoppelt werden. Im Bereich der Softwarearchitektur gibt es dafür eine Lösung, die als Fassade bezeichnet wird. Diese wird zwischen der Clientanwendung und dem DMS aufgebaut. Vorteil dieser Fassade ist es, dass diese jegliche Änderungen der DMS Komponente für die Clientanwendung unsichtbar werden lässt. So muss die Clientanwendung nicht mit jeder Änderung des DMS Systems angepasst werden und kann ausschließlich die fachlichen Objekte und Workflows umsetzen.Was aber hat diese Vorgehensweise mit der Microservice-Architektur zu tun? Bis zu diesem Punkt der Erläuterung, nichts. Setzt man nun aber diese Fassade als Microservice um, gewinnt man auf Seiten der Clientanwendung weitere Vorteile.
- Als Microservice kann die Fassade sehr einfach skaliert und somit vielen Anwendungen zur Verfügung gestellt werden.
- Als Microservice ist ein Zugriff auf das DMS gegen Netzwerklatenzen gesichert. Für die Zugriffe werden Metriken generiert. Diese können bewertet und ins Monitoring eingebunden werden.
- Als Microservice kann die Fassade unabhängig von den Clientanwendungen weiterentwickelt werden. Während die Fachlichkeit von einem Entwicklerteam entwickelt wird, kann die Integration eines neuen DMS von einem anderen Team gleichzeitig entwickelt werden. So konnten wir im Laufe unseres Projektes drei unterschiedliche Ablagesysteme in der Fassade integrieren, ohne die Clientanwendung anpassen zu müssen.
- Als Microservice bietet die Fassade eine hohe Nachnutzbarkeit integrierter DMS. Aufgrund der Vereinheitlichung der Schnittstelle können die unterschiedlichsten Clientanwendungen die Ablagesysteme und deren Funktionen nutzen.
- Als Microservice kann eine Migration bzw. ein Wechsel des DMS ohne Aufwand im Bereich der Clientanwendung durchgeführt werden.
- Als Microservice können alle Clientanwendungen von der Weiterentwicklung der Fassade profitieren. Wird ein neues DMS integriert, entsteht der Entwicklungsaufwand nur einmal. Dies bedeutet für alle anderen Clientanwendungen eine deutlich kürze Entwicklungszeit.
All diese positiven Auswirkungen dieser Architektur haben natürlich auch ihre Herausforderungen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass, sobald das DMS eine REST- Schnittstelle zur Steuerung bietet, der Aufwand der Integration sehr gering ist. Bietet das DMS hingegen keine REST-Schnittstelle so steigt der Integrationsaufwand. Eine weitere Herausforderung bei dieser Vorgehensweise ist die Schaffung und Weiterentwicklung der einheitlichen Schnittstelle der DMS-Fassade. Diese muss die unterschiedlichen Adressierungen und Steuerungsmöglichkeiten aller DMS zu einem Standard-API zusammenführen. Um alle Möglichkeiten der Microservice-Architektur nutzen zu können, müssen die bereits vorgestellten „Platform Services“ aufgebaut und betrieben werden. Dies vereinfacht zwar den Betrieb, bedeutet initial aber einen Mehraufwand.
Fazit
In Anbetracht der aufgezeigten Vorteile fällt mein Feedback zur Microservice-Architektur im Ergebnis positiv aus. Mit sorgfältiger Planung lassen sich die Herausforderungen dieser Architektur meistern. Der initiale Mehraufwand ist meiner Meinung nach mit dem geringeren Aufwand im Dauerbetrieb zu rechtfertigen. Allerdings fehlen zum heutigen Zeitpunkt noch die Langzeiterfahrung im produktiven Betrieb einer Microservice-Architektur. Aus diesem Grund würde ich mich sehr über einen Erfahrungsaustausch zum Thema Microservices im Produktionsbetrieb oder ein Feedback zu diesem Beitrag freuen.
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