Projektstart: Erschließung, Restaurierung und Digitalisierung hebräischer Handschriften
Manchmal schlummern in einer Bibliothek bemerkenswerte Schätze, die zwar sicher verwahrt und betreut werden, jedoch aufgrund ihres desolaten Zustandes nicht benutzbar sind. Die Freunde der Staatsbibliothek helfen aktiv dabei mit, die Restaurierung bedeutender Werke zu ermöglichen. Im aktuellen Fall war es eine engagierte und langjährige Nutzerin der Staatsbibliothek, welche die Erschließung, Restaurierung und Digitalisierung wichtiger hebräischer Handschriften der Orientabteilung ermöglichte.
Gleich in mehrerer Hinsicht bemerkenswert ist die Hebräische Bibel „Erfurt 1“ (Signaturen Ms. or. fol. 1210 und Ms. or. fol. 1211). Diese zweibändige Pergamenthandschrift, welche im Jahr 1343 fertiggestellt wurde, ist mit ihren Maßen von 63 x 47 cm die weltweit größte überlieferte Bibelhandschrift. Um sich eine bildlichere Vorstellung ihrer Dimensionen machen zu können, sei erwähnt, dass für die Herstellung des Pergaments der beiden je etwa 50 kg schweren Bände ungefähr 1100 Tiere benötigt wurden. Doch nicht nur ihr hohes Alter und ihre einzigartige Größe machen die Handschrift für Wissenschaftler aller möglichen Länder und Disziplinen interessant, auch die kunstvollen Mikrographien waren und sind von besonderem Interesse: so wurde in dieser Handschrift die Masora, also die textkritischen Anmerkungen zum eigentlich Bibeltext, vielfach in Tierform, als Phantasiewesen oder als ornamentale Dekoration gestaltet.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser kostbaren Handschrift wurde jedoch jahrzehntelang dadurch behindert, dass die Erfurter Bibel 1 im Zweiten Weltkrieg durch Löschwasser nach einem Bombeneinschlag einen solch enormen Schaden erlitten hatte, dass die beiden Bände schlichtweg unbenutzbar waren. 1999 begann die aufwändige Restaurierung des 2. Bandes der Bibelhandschrift, bei der die einzelnen, stark verklebten Pergamentblätter gelöst, gesäubert und in mehrstufigen Trocknungsverfahren wieder geglättet und in Form gebracht wurden. Dabei stellte auch hier die außergewöhnliche Größe der Handschrift eine besondere Herausforderung dar: so mussten beispielsweise eigens Geräte installiert werden, welche das Bewegen der zahlreichen Gewichte zum Spannen und Beschweren der Blätter ermöglichten. Mit dem Abschluss der umfassenden Restaurierung im Jahr 2007 konnte zumindest dieser zweite Teil der Handschrift wieder zugänglich gemacht werden. Und durch die anschließende Digitalisierung kann nun jeder die kunstvoll gefertigte Handschrift online bewundern.
Aufgrund der großzügigen finanziellen Unterstützung durch Frau Prof. Bettina Schwarz DHL über die Wissenschaftsförderungs GmbH mit Sitz in Düsseldorf ist es der Staatsbibliothek zu Berlin nun möglich, auch den bislang noch ausstehenden ersten Band der Erfurter Bibel 1 sorgfältig zu restaurieren und anschließend zu digitalisieren. Dies bietet selbstverständlich ganz neue Forschungsmöglichkeiten und könnte die Beantwortungen einiger Frage, die bezüglich der sogenannten „Riesenbibel“ noch nicht abschließend geklärt sind, vorantreiben.
Des Weiteren wurden Mittel bereitgestellt, um rund 280 weitere hebräische Handschriften zu digitalisieren und in der Datenbank Orient-Digital zu erschließen, wodurch (größtenteils auch originalsprachliche) Suchabfragen beispielsweise nach Titel, Herkunftsregion oder Entstehungszeit möglich sind. Damit werden nach Abschluss des Projektes sämtliche 580 Handschriften in hebräischer Schrift der Staatsbibliothek zu Berlin digital zur Verfügung stehen – eine großartige Möglichkeit, die herausragende Hebraica-Sammlung der Orientabteilung zu präsentieren, vor allem aber eine enorme Erleichterung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die sich mit den wertvollen Beständen beschäftigen.
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