Bildausschnitt: Publicity shot of Sun Ra, 1973. Distributed by Impulse! Records and ABC/Dunhill Records. Photographer uncredited. Public domain.

Space is the Place

Ein Beitrag aus unserer Reihe Unser Universum zum Wissenschaftsjahr 2023

Das Universum und die US-Amerikanische Literatur
James Webb Space Telescope (JWST) artist's conception (NASA). Wikimedia Commons (public domain)

James Webb Space Telescope (JWST) artist’s conception (NASA). Wikimedia Commons (public domain)

In den USA, dem Land, dass die ersten, und bislang auch einzigen, Menschen auf den Mond geschickt hat, nimmt das Universum eine ungemein produktive Stellung im kollektiven Imaginären ein.[1] Das hat auch mit den spektakulären Erfolgen der US-Raumfahrt zu tun, von der Mondlandung bis zum James-Webb-Weltraumteleskop .[2] Das Space Age, die Ära der menschlichen Raumfahrt, wurde allerdings bekanntermaßen nicht von den USA eingeläutet. Als die Sowjetunion am 4. Oktober 1957 Sputnik 1 als ersten Satelliten in eine Umlaufbahn zur Erde brachten, gestaltete sich das Space Age zunächst als Space Race zwischen den beiden Supermächten. Die erfolgreiche Mondlandung der Apollo 11 im Jahr 1969 darf hier als Höhepunkt gelten. In Literatur und Kultur wird die Sehnsucht nach den Sternen jedoch schon vor dem Beginn des Space Age ausgelebt.

Im 19. Jhdt. ist das Thema mit Jules Verne, H.G. Wells und Mary Shelley zwar noch eher in Europa beheimatet. Aber Edgar Allan Poe hat mit seiner Kurzgeschichte „The Unparalleled Adventure of One Hans Pfaall“, in der es um einen Flug zum Mond mittels eines Heißluftballons geht, einen frühen Science Fiction Text veröffentlicht. Mit seinem sperrigen Spätwerk „Eureka. A Prose Poem“ (1848), das er selber als sein wichtigstes Werk bezeichnet, liefert Poe dann gar eine ganze Kosmologie, in der manche Kommentatoren gar eine Vorwegnahme wesentlicher astronomischer Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts sehen wollen (David N. Stamos: Poe, Eureka and Scientific Imagination, 2017).

Im frühen 20. Jahrhundert tobt sich die Weltraumfaszination vor allem in den Sci-Fi-Kurzgeschichten der Pulp-Magazine aus, allen voran im 1926 gegründeten „Astounding Stories“. Als gut zehn Jahre später John W. Campbell Herausgeber von Astounding Stories wird, beginnt das Golden Age der Science Fiction. Ab 1939 erscheinen hier die ersten Geschichten von Isaac Asimov, Theodore Sturgeon und Robert Heinlein. In den 1950ern erscheinen in Astounding die ersten Geschichten von Frank Herbert, dessen Roman „Dune“ in den letzten Jahren mit großem Erfolg fürs Kino verfilmt wurde. Die in 13 Bänden gesammelten Kurzgeschichten von Theodore Sturgeon gehören zu den schönsten Erzählungen der amerikanischen Literatur.

Zur Zeit der eingangs erwähnten Mondlandung wird Science Fiction längst von den sogenannten neuen sozialen Bewegungen beeinflusst. Die bekannteste Vertreterin dieser New Wave of Science Fiction ist die 2018 verstorbenen Ursula K. Le Guin. In ihren bekanntesten Büchern, „The Dispossessed“ von 1974 und „The Left Hand of Darkness“ von 1969, verhandelt sie die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen einem kapitalistisch-technokratischen Planeten und einem Planeten, der eine anarchistische Revolution durchlaufen hat („The Dispossessed“) bzw. die Fluidität der Geschlechter („The Left Hand of Darkness“). Ungewöhnlicherweise wurde beide Romane auch in der DDR beim Verlag Das Neue Berlin auf deutsch veröffentlicht: „The Dispossessed als „Planet der Habenichtse“ (1987) und „The Left Hand of Darkness als „Winterplanet“ (1979). (Beide Titel gelten derzeit im Bestand der Stabi als vermisst.) In einem einordnenden Nachwort zu „Planet der Habenichtse“ wird Le Guin „ein nichtautoritärer Kommunismus“ attestiert (Quelle: Wikipedia). Le Guin hat sich schon früh mit Ökologie befasst – so zum Beispiel in „The Word for World is Forest“ von 1972, einem Werk das vor einigen Jahren Anlass für diese Publikation des Haus der Kulturen der Welt war: The Word for World is Still Forest (2017  extern mit Link zum Volltext  ). Le Guin ist daher neben Octavia Butler auch in unserer aktuellen Leselounge „Klima – Krise – Literatur“ vertreten. Samuel R. Delany, der sich in The Jewel-Hinged Jaw“ eingehend mit Le Guins Werk auseinandergesetzt hat, geht in „Stars in My Pockets like Grains of Sand“ (1984) einen Schritt weiter weiter als Le Guin in „The Left Hand of Darkness“ und schafft auch auf sprachlicher Ebene eine überzeugende Darstellung von geschlechtlicher Uneindeutigkeit. Weitere Vertreterinnen der New Wave sind Marge Piercy und Joanna Russ.

Thomas Pynchon, der ewige Nobelpreis-Aspirant und weltweit bekannte Stimme der counter culture, zählt zwar nicht zum Kreis der Science-Fiction Autor:innen. Aber wer interessiert ist an der nationalsozialistischen Vorgeschichte des Raketenprogramms der USA – Stichwort: Wernher von Braun und V2 – kann dazu einiges in Pynchons epochalen Roman „Gravity’s Rainbow“ nachlesen. „Gravity’s Rainbow wurde von Elfride Jelinek als „Die Enden der Parabel“ ins Deutsche übersetzt.

Carl Sagan - Planetary Society. NASA/JPL. Wikimedia Commons (public domain)

Carl Sagan – Planetary Society. NASA/JPL. Wikimedia Commons (public domain)

Der Astronom Carl Sagan (1934-1996), Professor an der Cornell University, hat mit der von ihm geschriebenen und auch präsentierten wissenschaftlichen Fernsehserie Cosmos (1980) ein Millionenpublikum erreicht und kann als Glücksfall der Wissenschaftskommunikation gelten. Sagan hat sich immer wieder auch mit der Frage außerirdischen Lebens (siehe „Nachbarn im Kosmos ) beschäftigt und zeichnete verantwortlich für die Voyager Golden Record, von denen sich je eine in den beiden Voyager Raumsonden befindet, die 1977 von der NASA in Richtung Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun gestartet wurde. Nach Vorbeiflug an diesen Planeten sind die beiden Raumsonden immer weiter geflogen und die beiden identischen Schallplatten, auf denen sich 116 Bilder und knapp 90 Minuten Audiomaterial befinden, sind damit am weitesten gereisten von Menschen geschaffene kulturellen Artefakte. Dass sie jemals gefunden werden ist unwahrscheinlich: In 40.000 Jahren werden die Sonden anderen Sternen am Nächsten kommen: Sie werden in ca. 1,6 Lichtjahren an diesen Sternen vorbeifliegen. Der Österreicher Florian Freistetter erzählt in Folge 235 seines Podcasts Sternengeschichten die Geschichte dieser goldenen Schallplatte. Es war auch Sagans Idee, 1990 Voyager 1 umzudrehen, um das noch immer aus größter Distanz (6 Mrd Kilometer) aufgenommene Foto der Erde aufzunehmen: Pale Blue Dot. 1985 veröffentlichte Sagan den Science-Fiction-Roman Contact, in dem er wiederum der Frage der Kommunikation mit Aliens nachgeht und der 1997 mit Jodie Foster verfilmt wurde.

Publicity shot of Sun Ra, 1973. Distributed by Impulse! Records and ABC/Dunhill Records. Photographer uncredited. Public domain.

Publicity shot of Sun Ra, 1973. Distributed by Impulse! Records and ABC/Dunhill Records. Photographer uncredited. Public domain.

Auf der Erde war Mark Dery der erste, der 1993 den Begriff Afrofuturismus (bzw. Afrofuturism) verwendete. In seinem Aufsatz „Black to the Future. Interviews with Samuel R. Delany, Greg Tate an Tricia Rose“ nutzt er den Begriff um rückwirkend ein ästhetisches Programm auszurufen. Zum Afrofuturismus gehören Texte (im weitesten Sinne), die mit den Mitteln der Science Fiction den Freiheitsbestrebungen der Schwarzen US-Amerikaner (bzw. den Menschen der afrikanischen Diaspora) Ausdruck verleihen. Der Kosmos des Afrofuturismus erstreckt sich von Jimi Hendrix‘ Electric Ladyland und Herbie Hancocks Future Shock bis zu den Videoinstallationen Arthur Jafas und Janelle Monáes retrofuturistischem Pop. Das Universum wird hier zur Projektionsfläche einer emanzipatorischen Strömung. Dabei erlaubt, wie der Literaturwissenschaftler Simon Dickel (link) in seinem Aufsatz „‚I Come to You as the Myth‘: Sun Ra und Afrofuturismus“ erläutert, gerade das außerirdische Setting die gründliche Hinterfragung der Grundlagen eines Humanismus, der nie verhindert hat, dass bestimmte Menschen nicht als gleichberechtigt anerkannt wurden. Dank Derys nachträglicher Geste können unterschiedlichste Texte zu Gründungstexten des Afrofuturismus werden, so zum Beispiel der in den frühen 1970er-Jahren mit Sun Ra entstandene SF-Film „Space is the Place“. Im Film transportiert Sun Ra Afroamerikaner*innen mit den Mitteln der Musik auf einen anderen Planeten während die Erde am Ende explodiert. Ein weiterer nachträglicher Gründungstext des Afrofuturismus ist die 1920 erschienene Kurzgeschichte „The Comet“ des Soziologen W.E.B. DuBois. Im Sammelband „The Comet – Afrofuturism 2.0“ (2020, Bundeszentrale für politische Bildung, davor Orlanda Verlag), der die erste deutsche Übersetzung dieser Erzählung, in der ein schwarzer Mann der letzte Überlebende der Menschheit ist, leistet,kommen auch afrodeutsche Perspektiven auf das Thema Afrofuturismus zur Sprache.[3]

 

[1] Zwischen 1969 und 1972 waren 12 Astronauten, alles Männer, alle weiß, auf dem Mond. Auch bei der Liste der Menschen im All liegen die USA vorn. Mit dem von der NASA geleiteten Artemis-Programm, an dem auch Canada, Japan, Deutschland, Israel und Italien beteiligt sind, soll die bemannte Raumfahrt wieder aufgenommen werden. Derzeit ist der erste Flug auf 2025 verschoben. Eine unbenannte Mondlandung ist zuletzt Indien geglückt.

[2] Das James-Webb-Teleskop wurde zum Jahreswechsel 2021/22 von der NASA (in Zusammenarbeit mit ESA und CSA) in eine Umlaufbahn zum Lagrange-Punkt L2 gebracht, in 1,5 Millionen Kilometer Abstand zur Erde. https://de.wikipedia.org/wiki/Lagrange-Punkte#Lagrange-Punkt_L2

[3] Weitere Kommentare zum afrofuturistischen Universum finden sich in “IN A QU*A*RE TIME AND PLACE – Post-Slavery Temporalities, Blaxploitation, and Sun Ra’s Afrofuturism between Intersectionality and Heterogeneity” (2014) des viel zu früh verstorbenen Berliner Kulturtheoretikers Tim Stüttgen oder im Sammelband „We Travel the Space Ways. Black Imagination, Fragments, and Diffractions“ von Henriette Gunkel und kara lynch.

2 Kommentare
  1. Rainer Kirmse , Altenburg sagte:

    The earth is our mother,
    we will not have another.
    There’s no better place to find
    for animals, plants, mankind.
    We have to keep clean the Air,
    as environment everywhere.
    Climate concerns all nations,
    just as plastic in the oceans.
    Our planet, so wonderful blue,
    we always will protect, we do!

    WELTALL – ERDE – MENSCH

    Am Anfang war der Urknall,
    um uns herum der Nachhall.
    Das Weltall in Expansion
    Milliarden Jahre nun schon.

    Es sind dabei die Galaxien
    einander rasant zu entflieh’n.
    Da ist keine Wende in Sicht,
    irgendwann geht aus das Licht.

    Dunkle Materie ist rätselhaft,
    dunkle Energie nicht minder.
    Das Wissen ist noch lückenhaft,
    man kommt nicht recht dahinter.

    Es braucht wohl wieder ein Genie,
    gar eine neue Theorie.
    Des Universums Architektur –
    Was ist der Sinn von allem nur?

    Uns’re Galaxie ist eine von Milliarden,
    ein Spiralsystem, keine Besonderheit.
    Die Erde hatte die besten Karten,
    hier fand das Leben Geborgenheit.

    Aus toter Materie ging es hervor,
    strebte hin zu höchster Komplexität.
    Die Evolution wirkt als ein Motor,
    der einfach niemals ins Stocken gerät.

    Zahllose Arten entsteh’n und vergeh’n,
    bevor der Mensch betritt die Szenerie.
    Auch dessen Ende ist vorherzuseh’n,
    das ist die kosmische Dramaturgie.

    Der Mensch macht sich die Erde Untertan,
    getrieben vom ewigen Wachstumswahn.
    Autos werden größer, Straßen breiter,
    die Wälder dagegen schrumpfen weiter.

    Es ist höchste Zeit für uns, zu handeln,
    endlich uns’ren Lebensstil zu wandeln.
    Was nützt uns Wohlstand und alles Geld,
    wenn am Ende kollabiert die Welt?

    Man produziert und produziert,
    plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Plastikflut und Wegwerftrend,
    man konsumiert permanent.
    Nur unser ständiges Kaufen
    hält das System am Laufen.
    Unser westlicher Lebensstil
    taugt nicht als Menschheitsziel.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    im Einklang mit der Natur leben.

    Zu viele Buchen und Eichen
    mussten schon der Kohle weichen.
    Retten wir den herrlichen Wald,
    bewahren die Artenvielfalt.
    Kämpfen wir für Mutter Erde,
    dass sie nicht zur Wüste werde.

    Der Mensch, dieses kluge Wesen
    kann im Gesicht der Erde lesen.
    Er sieht die drohende Gefahr,
    spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
    Homo sapiens muss aufwachen,
    seine Hausaufgaben machen.

    Wir alle stehen in der Pflicht,
    maßvoll leben ist kein Verzicht.
    Teilen und Second Hand der Trend,
    Repair vor Neukauf konsequent.
    Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    nehmen wir uns die Freiheit.

    Gegen wildes Spekulieren
    muss man Banken regulieren.
    Gegen Armut braucht es Gelder,
    nicht für Managergehälter.
    Wir brauchen die Mindestrente
    und der Hungerlöhne Ende.

    Für die Zukunft des Planeten,
    weg mit Panzern und Raketen.
    Lasst die weißen Tauben fliegen,
    Aggression und Hass besiegen.
    Die Leute legen ab den Neid,
    die Religionen ihren Streit.

    Fromme und Heiden sind vereint,
    uns’re Sonne für alle scheint.
    Keiner ist des Anderen Knecht,
    für alle gilt das Menschenrecht.
    Jeder kann glauben, was er will,
    Frieden und Freiheit unser Ziel.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

    Antworten
  2. Michael Schwarzer sagte:

    Ein ziemlicher parforce Ritt, dementsprechend notwendigerweise leider unvollständig. Eric Frank Russell mit seiner Mischung aus teils spöttischen, teils gesellschaftskritischen und teils philosophischen Kurzgeschichten zur Zukunft der Menschheit im Weltraum wäre eine schöne Ergänzung.

    Ein Bild vom pale blue dot, dessen Wirkung nicht zu unterschätzen ist, gibt es übrigens auch hier:

    https://galaxie.digital/planeten/alles-was-du-ueber-planeten-in-unserem-sonnensystem-wissen-musst/

    Antworten

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