Spuren der deutschen Romantik in der Stabi
Gastbeitrag von Dennis Schäfer
Während meines Aufenthalts an der Staatsbibliothek im August 2025 hatte ich freie Hand, um mit ihren einzigartigen Beständen eigene Forschungs- und Ausstellungsprojekte zu verfolgen. Konkret drehten sich meine Recherchen um Jean Paul Friedrich Richter, einem Schriftsteller aus dem frühen 19. Jahrhundert, und seinen Zeitgenossen E.T.A. Hoffmann, zu dem die Staatsbibliothek seit Jahren eine weltweit einzigartige Sammlung von Autographen, künstlerischen Drucken und Grafiken aufbaut.
Bei Jean Paul interessierte mich sein umfassender Nachlass, der in der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek aufbewahrt wird. Jean Paul hinterließ einen enormen Wust an Papier. Oft notierte er seine Ideen auf Notizzettelchen, als „Bausteine“ bezeichnet, in denen verschiedene Gedanken, Ideen und Überlegungen für seine literarischen Texte festgehalten wurden. Wenn er seine Vorstellungen für den einen Text nicht gebrauchte, kam er vielleicht beim nächsten zum Einsatz – oder dem übernächsten, und so weiter. Bemerkenswert ist jedoch nicht nur der überbordende Papierberg, der in der Staatsbibliothek in verschiedene „Faszikel“ geordnet wurde, sondern auch die Inszenierung dieser Papierwelten in Jean Pauls literarischen Texten selbst. Gegenstand meiner Untersuchung, die in meiner Doktorarbeit eine tragende Rolle einnimmt, war Jean Pauls Roman Die Flegeljahre und die vielen Manuskripte in der Faszikel XV, aus denen dieser Text entstanden ist.
Weiterhin hatte ich als Stipendiat die Gelegenheit, eine Ausstellung mit dem Titel Inventing E.T.A. Hoffmann (1776-2026) zu kuratieren, mit der die Staatsbibliothek im kommenden Frühjahr den 250. Geburtstag dieses romantischen Autors zelebrieren wird. Nachdem sein 200. Todestag bereits im Jahr 2022 mit einer großen Ausstellung zu seinem Leben und Werk begangen worden war, möchte Inventing E.T.A. Hoffmann neue Wege einschlagen. Demzufolge liegt der Fokus auf buch- und bildkünstlerischen Zugängen zu Hoffmanns Leben und Werk. Wie kaum ein anderer Autor ist E.T.A. Hoffmann so sehr in der Rezeption seiner Werke aufgegangen, dass er Kunstschaffenden unterschiedlicher historischer wie kultureller Kontexte stets neue Anknüpfungspunkte bieten konnte. Daher wird die Ausstellung ein Wechselspiel von Illustrationen und Grafiken (z.B. Radierungen, Lithografien, Linolschnitte), historischen wie zeitgenössischen Editionen und Übersetzungen sowie bibliophilen Prachtausgaben darbieten, die Hoffmann und sein Werk inspiriert haben und immer noch inspirieren.
Weniger als 3 % des handschriftlichen Bestands der Staatsbibliothek sind digital zugänglich. Um dieses Material zu lokalisieren, waren Findbücher, Zettelkataloge und andere Referenzmaterialien sowie annotierte Auktions- und Antiquariatskataloge und interne Akten für meine Arbeit unerlässlich. All diese kostbaren Unterlagen geben Einblick über die historischen Erwerbungen der Staatsbibliothek seit ihrer Gründung, Teilung und Wiedervereinigung und erschließen einen Wissenshorizont, vor dem die Staatsbibliothek, und noch vielmehr ihre Bestände, als historisch gewachsene Gebilde sicht- und greifbar werden. Diese historischen Referenzmaterialen können ausschließlich in den einzelnen Lesesälen eingesehen werden und verdeutlichen einmal mehr die Unerlässlichkeit einer direkten Arbeit vor Ort mit dem historischen Papier. Es bleibt zu hoffen, dass diese auch im Zeitalter ‚digitaler Bibliotheken‘ weiterhin bewahrt und allen Nutzer:innen der Bibliothek zugänglich gemacht werden.
Dennis Schäfer, Princeton University, war im Rahmen des Stipendienprogramms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Jahr 2025 als Stipendiat an der Staatsbibliothek zu Berlin. Forschungsprojekt: „From Authors to Archives: The Amanuensis in the Age of Goethe“
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