Weniger Bücher im Lesesaal des Hauses Potsdamer Straße

Wer mit aufmerksamen Augen in die Regale des Lesesaals in der Potsdamer Straße schaut, wird sehen, dass sich der Buchbestand in den letzten Monaten vermindert hat. Und dieser Vorgang dauert fort. Zur Zeit wird insbesondere das Zeitschriftenangebot im Lesesaal reduziert. Der Grund für diese Veränderung ist darin zu suchen, dass das Bibliotheksgebäude in der Potsdamer Straße auf eine Generalinstandsetzung zusteuert. Das heißt, dass der Lesesaal mehrere Jahre geschlossen werden muss. Wir können es zwar im Moment noch nicht exakt bestimmen, wann das sein wird – die aktuelle Planung geht von 2026/27 aus –, aber es steht fest, dass der Lesesaal dann leergeräumt sein muss.

Die bibliothekarische Bearbeitung von Büchern ist zeitintensiv, und in den letzten Jahren ist die Zahl der mit der Buchbearbeitung betrauten Mitarbeiterinnen zurückgegangen. Um also rechtzeitig fertigzuwerden und um keine Bücher auf der Baustelle zurückzulassen, die dann mehrere Jahre nicht benutzbar wären, müssen wir bereits jetzt mit dem Ausräumen anfangen.

Geplant ist, dass besonders wichtige Werke in den Lesesaal Unter den Linden umgestellt werden, um das dort inhaltlich fehlende Zeitsegment ab 1918 zu ergänzen. Bislang firmiert dieser als historischer Forschungslesesaal, der in der Potsdamer Straße als Forschungslesesaal der Moderne mit der inhaltlichen Grenze 1918. Die große Masse des Lesesaalbestands wird ins Magazin zurückgestellt und kann dann ausgeliehen werden. Allerdings ist der Platz dort sehr knapp, so dass wir uns bei Mehrfachexemplaren auch von diesen trennen müssen. An eine Vernichtung dieser Bücher ist aber nicht gedacht. Wir streben an, dass ein Großteil der Umstellungen erst kurz vor der Schließung des Lesesaals in ein paar Jahren erfolgt.

Ist dies das Ende des Lesesaals? Ich denke nein! Grundsätzlich müssen wir akzeptieren, dass der Trend hin zum elektronischen Buch ungebremst weitergeht, und dies ganz besonders bei den klassischerweise im Lesesaal aufgestellten Referenz- und Nachschlagewerken. Der Lesesaal hat sich seit vielen Jahren auf dieses Szenario vorbereitet. Er vereinnahmt elektronische Bücher mit Nachschlagecharakter wie auch viele elektronische Zeitschriften, die zusehends die gedruckten ablösen. Und wie wird nun vereinnahmt? Die Medien erhalten im Katalog eine sogenannte virtuelle Sonderstandortsignatur. Damit können sie bei einer Recherche in der Online-Lesesaalsystematik aufgefunden und geöffnet werden. Ja, es besteht über diese Systematik sogar die Möglichkeit, ausschließlich auf die elektronischen Titel zuzugreifen. Dies richtet sich insbesondere auch an Auswärtige. Am rechten Rand der Webseite finden Sie das Symbol für den Zugriff auf elektronische Titel. Im neuen Stabikat wird die Lesesaalsystematik einigermaßen verdeckt angeboten. Gefunden wird sie im Fußmenue über den Einstieg „Weitere Kataloge und Datenbanken“. Im Stabikat classic lässt sie sich jederzeit im linken Menue aufrufen. Und am Regal? Hier finden Sie teilweise QR-Codes, die zum elektronischen Bestand führen, oder auch grüne Vertreter auf den Regalböden zwischen den Büchern.

Wenn Ihnen dieses Angebot bisher unbekannt geblieben ist, machen Sie doch einfach mal Gebrauch davon. Der kürzeste Weg zur Lesesaalsystematik ist dieser:

https://lesesaal.staatsbibliothek-berlin.de/

 

9 Kommentare
  1. Viktoria G. sagte:

    Ich glaube, was uns Nutzende tatsächlich brennend interessiert, ist die Frage nach dem Vorgehen, wenn der Lesesaal Potsdamer Str. wegen Samierung geschlossen wird, wie geht es für uns weiter? Ausweichen auf das Haus Unter den Linden wird nicht möglich sein, das ist schon jetzt täglich voll ausgelastet. Wie soll sichergestellt werden, dass wir Forschenden, die wir tatsächlich mit bestellten Büchern und den Handbibliotheken arbeiten, überhaupt noch im Lesesaal arbeiten können, wenn dieser wieder mal mit 800 Jurastudierenden und neuerdings sogar zahlreichen Schülern verstopft ist? Wie wollen Sie garantieren, dass ECHTE Nutzende, die die Stabi nicht nur als billiges Büro gebrauchen, nicht abgedrängt werden? Das ist ja teilweise schon jetzt der Fall, wo beide Häusee noch offen sind…

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  2. Beate Winzer sagte:

    Allein die Vorstellung, auf mein Arbeitszimmer verzichten zu müssen, treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn. Es ist viel schöner, in der Stabi zu arbeiten als allein zu Haus. Wie schrecklich das war, habe ich nicht vergessen. Ich hoffe, es ist eine Unterbringung unter den Linden geplant.

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  3. Beate Winzer sagte:

    Übrigens sind diese digitalen Bestände Schrott. Weder im normalen Handapparat noch im digitalen Bestand steht, das, was ich suche. Letztlich wird die Staatsbibliothek seit Jahrzehnten personell ausgedünnt und jetzt werden auch Lesesaal und Bücher gestrichen. Nun, es wäre sicher unfair, das allein Frau Roth anzulasten aber zeugt einfach davon, wie realitätsfremd die Politik und wie egal der Leser/in der Politik ist. Bildung, Forschung und Lehre wird einfach keinerlei Wert beigemessen.

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    • lech sagte:

      Das sehe ich leider ganz genau so.
      Für Spezialwissen (Altertum etc.) scheint es keine Chance mehr zu geben.
      Modernisierung ist lediglich ein Vorwand.

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  4. Paul sagte:

    „Grundsätzlich müssen wir akzeptieren, dass der Trend hin zum elektronischen Buch ungebremst weitergeht“ – dieser „Trend“ ist keine Naturgewalt, sondern sozial konstruiert. Bibliotheken können sich dazu so oder so verhalten. Wenn Bibliotheken sich entscheiden würden, weiterhin prioritär gedruckte Werke anzuschaffen und elektronische Versionen nur als hilfreiche Ergänzung, nicht als Ersatz, wäre da nichts zu „akzeptieren“. Viele Nutzende wünschen sich elektronische Versionen, aber ich kenne niemanden, der sie als Ersatz des gedruckten Buches möchte. Es scheint aber leider so, dass manche öffentliche Bibliothek nur allzu bereitwillig auf den Zug aufspringen, um sich als modern zu gerieren – und völlig aus dem Blick verliert, wie groß die Benutzungsvorteile von gedruckten Büchern sind. Leider werden solche Entscheidungen in der Regel von Leuten getroffen, die ihre eigenen Bibliotheken längst nicht mehr nutzen, wenn sie überhaupt je systematisch in einer Bibliothek gearbeitet haben.

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  5. Arkadi Junold sagte:

    Ich kann mich diesem Kommentar nur anschließen. Herr Bonte hat als Leiter der sächsischen Landesbibliothek Dresden dafür gesorgt, daß die Titel meines Verlags ausschließlich gedruckt angekauft wurden, was auch bedeutet, daß ich die E-Books, die ich in mein Verlagsprogramm aufgenommen hatte, wegen ständiger Verluste aus dem Sortiment nehmen mußte. Wenn er jetzt also auf elektronische Publikationsformen setzt, wird er sich hoffentlich daran erinnern, daß er mal eine andere Strategie gefahren ist, die dazu geführt hat, daß Verlage E-Books aus dem Sortiment nehmen mußten.

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    • Arkadi Junold sagte:

      Kleiner Nachsatz noch: Wie viele anderen leide ich unter altersbedingt abnehmendem Augenlicht und bin alleine deshalb froh und darauf angewiesen, daß ich mal vor ausgedruckten und damit flimmerfreien Büchern sitze, ich habe schon genügend Arbeitszeit vor dem für mich augenschädigenden Bildschirm zu verbringen. Herr Bonte und alle, die sich im Hause für die Digitalisierung einsetzen, werden um diesen Effekt wissen und damit auch wissen, daß eine Fokussierung auf e-books drastisch und sehr deutlich ausgedrückt altersdiskriminierend ist.

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  6. Oliver Berggötz
    Oliver Berggötz sagte:

    Der Einfachheit halber versuche ich auf die vorstehenden Kommentare insgesamt einzugehen. Es ist sicher richtig, dass die Schließung des Lesesaals in der Potsdamer Straße zu einem Verlust an Arbeitsplätzen führen wird. Der Bibliotheksleitung ist dies durchaus bewusst, und sie thematisiert dies im Rahmen der Bauplanungen. Diese sind allerdings noch lange nicht abgeschlossen, so dass aktuell hier keine konkrete Aussage gemacht werden kann. Aber wir haben ja noch ein paar Jahre Zeit.
    Der Verfasser dieser Zeilen ist durchaus ein Liebhaber des gedruckten Buchs. Den Blick auf ein gefülltes Bücherregal empfinde ich ebenso als besonderen ästhetischen Genuss wie das Blättern in einem Druckwerk. Und so zählt meine private wissenschaftliche Gebrauchsbibliothek mehrere Tausend Titel. Hier komme ich allerdings an räumliche Grenzen und bin deshalb froh, dass ich meinen Buchbestand durch die platzsparenden elektronischen Bücher vermehren kann. Ähnlich geht es der Staatsbibliothek, deren Magazine kaum noch Reserven bieten und Neubauten in ganz weiter Ferne liegen. Angemietete Magazinräume bringen jede Menge an logistischen Problemen mit sich, insbesondere müssen die Leserinnen und Leser sehr lange auf das Bestellte warten. Ganz anders bei den E-Books. Die können schon kurz nach der Erwerbung genutzt werden und keine lästige Ausleihe entzieht sie schon bald wieder der Benutzung. Auch Beschädigungen weisen sie nicht auf. Und vor allem, die elektronischen Möglichkeiten lassen Recherchen viel schneller ans Ziel gelangen. Aus diesem Grund besitze ich zu Hause bei manchen Werken zusätzlich zum gedruckten Exemplar auch das Elektronische. Dass ältere Menschen mit dem Lesen von E-Büchern Probleme hätten, kann ich als Ü-60er nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil empfinde ich die Vergrößerungsmöglichkeiten am Bildschirm für meine Augen sehr wohltuend.

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