Wertvolle hebräische Manuskripte in der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Beispiel aus dem reichen Bestand
Gastbeitrag von Dr. Neri Y. Ariel
Bei der vertieften Beschäftigung mit einem Kodex der Mischneh Torah, der im Besitz der SBB ist, kann folgende Anmerkung zur Entstehung der halachischen (gesetzlichen) Kodifikation bzw. Kodifizierung gemacht werden: Es geht hier um einen vollständigen Kodex des monumentalen Werkes (wie ››Moritz Steinschneider, Die Handschriften-Verzeichnisse der Königlichen Bibliothek zu Berlin, zweiter Band, Buchdruckerei der Königl. Akademie der Wissenschaften: Berlin 1878 ‹‹ bereits im §7 bezüglich dieses Kodex Ms. or. fol. 12 – die Mischneh Torah von Maimonides – kommentiert). Am Anfang dieses Kodex der Mischneh Torah steht die Liste der Mitzwoth (Gebote), welche später in manchen Editionen weggelassen wurde. Sefer Mischneh Torah versucht, die vorige Halacha neu zu kodifizieren. Es ist bekannt, dass Maimonides sich als neuer Moses sah, der das Recht hat, die bisherige Halacha neu zu kodifizieren. Hier entsteht eine eventuelle Verbindung zwischen dem Hauptteil seines Kodex, Mischneh Torah, und seiner Aufzählung der Gebote, Sefer haMitzwoth (Buch der Gebote). Diese Anordnung gibt eine Erklärung für Maimonides‘ wissenschaftliche Aspiration: Wie Moses in der Bibel sieht er sich als Übermittler der mündlichen Torah.
Dieses Manuskript von Maimonides ist besonders illuminiert; das zeigt zum einen die Wichtigkeit dieser Handschriften und zum anderen, was die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz eigentlich an Reichtum hat. Die Illuminationen haben manchmal klare Verbindung zum Inhalt des Textes, und manchmal nahmen sie wahrscheinlich vorliegende Formen aus der Umgebungskultur auf, hauptsächlich der christlichen. In diesem Kodex beherrschen die Kommentartraditionen den Text komplett, und manchmal ist der Haupttext nur am Rand der Diskussion. Diese Vielfältigkeit kann man mit den Kommentaren auf Bl. 84 sowie auch Bl. 113 bis Bl. 115 des Kodex schön zeigen, wo mehr Superkommentare sind als Text, und Textkritik und Textinterpretation zur Hauptbeschäftigung werden.
Illuminierte Figuren sind auf Blatt 14v Blumen:
Auch eine Art Illumination über Wörtern s. Bl. 17v:
Diese Verzierungen findet man auch am Ende von Traktaten, z.B. Mada, Bl. 69r:
Irgendein Geschöpf zwischen Mensch und Tier, so eine Art Elf oder Kentaur. Bl. 23v ganz unten am Rand des Blattes:
Auf Bl. 77v:
Innerhalb der Figur scheint das Wort רצה auf, das ist eine Kustode (Shmardaf), das Wort, das auf dem nächsten Blatt oben wiederholt wird, und so wird die Ordnung des Kodex zusammengehalten.
Und auf Bl. 85v:
Bl. 101v:
Ganz tolle Figur auf Bl. 125v, ist es ein Menschkamel?
Vogelarsenal auf Bl. 31v:
Bl. 93v mit imaginärer Sprechblase aus dem Mund:
Bl. 151v, mit etwas im Mund, etwas zwischen Pfeil und Herz:
Bl. 159v: Ein Reh? Oder ein anderes (koscheres! ) Tier.
Bl. 35r Ein Herzchen, als Dekoration und Ornamentierung des halachischen Textes:
Weitere ähnliche Illuminationen sind auf den Blättern 35, 41, 55, 60, 61, 66, 68, 120, 133 des Kodex zu finden.
Eine menschliche Figur ist auf Bl. 118v. Diese Figur hält in der Hand wahrscheinlich einen Kidduschbecher, der als Teil des Sabbatrituals dient.
Und schön ist auch der Esel oder der Wolf (innerhalb der Figur steht זאב = Wolf) auf Bl. 55v:
Die Verbindung zum Text ist unklar, wenn es überhaupt nötig ist, eine zu suchen — es sind einfach Bilder aus Aschkenas (so die jüdische Bezeichnung für ‚Mitteleuropa‘) im Allgemeinen, die eine klare Beziehung zur weiteren Umgebungskultur haben. Reimund Leicht zeigt die Vielfalt dieser Traditionen an (Kitve Yad, S. 72). Außer schönen Bildern kann man auch die kulturelle Anpassung von Maimonides hier beobachten, nämlich die Aschkenasierung von Maimonides und seiner Welt. Ein Teil dieser Entwicklung zeigt sich in der Illuminierung und auch im künstlerischen Ausdruck der Traditionen, die Maimonides‘ Wurzeln negierten und versuchten, ihn an Ritus und Vorbild aus Aschkenas anzupassen.
Herr Dr. Neri Y. Ariel war im Rahmen des Stipendienprogramms der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Jahr 2022 als Stipendiat an der Staatsbibliothek zu Berlin. Forschungsprojekt: „Judaeo-Arabische Halacha-Schriften des Preußischen Kulturbesitzes“
Werkstattgespräch zu den Halacha-Handschriften der Staatsbibliothek zu Berlin am 22. 9. 2022
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!