Nochmal Bibel – Thesen – Propaganda: Ihre Spenden retten Kulturgut
Viele Besucherinnen und Besucher unserer Reformationsausstellung haben Geld in die dort aufgestellte Spendenbox gesteckt: Was ist daraus geworden?
Ein Beitrag von Friederike Willasch.
Unsere erfolgreiche Ausstellung „Bibel – Thesen – Propaganda. Die Reformation erzählt in 95 Objekten“ hat noch eine sehr positive Nachwirkung: Dank Ihrer Unterstützung können nun dringliche Restaurierungsfälle in der Abteilung Historische Drucke und in der Handschriftenabteilung beauftragt werden: eine Flugschrift des Reformators Martin Bucer aus dem Jahr 1540 und einige Einblattdrucke.
Neben Luther und Melanchthon der bedeutendste der deutschen Reformatoren: Martin Bucer (1491-1551)
In ärmlichen Verhältnissen in Schlettstadt aufgewachsen, sah Martin Bucer im Eintritt in den Dominikanerorden seine Chance zu Studieren. Tatsächlich wurde er von seinem Orden zum Studium nach Heidelberg geschickt. Martin Luthers Auftritt am Tag der Heidelberger Disputation im Jahr 1518 wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Der Dominikanermönch Bucer wandte sich nun dem reformatorischen Gedankengut zu, wurde aber erst 1521 aus dem Orden entlassen. Nachdem er wegen seines Einsatzes für die reformatorische Theologie exkommuniziert worden war, nahm ihn Ende 1523 die Reichsstadt Straßburg auf. Dort wirkte er an dem Aufbau eines evangelischen Kirchenwesens mit und erlangte weit über die Grenzen Straßburgs hinaus Bedeutung. In den Folgejahren leistete er anderen Reichsstädten und -territorien Unterstützung bei der Durchsetzung der Reformation und beim Entwurf von Kirchenordnungen. Dabei setzte er sich immer zum Ziel, zwischen den einzelnen protestantischen Strömungen zu vermitteln, damit die Protestanten als Einheit für evangelische Freiheit und Reformation auftraten.
„Von Kirchengütern“ (1540): eine deutsche Flugschrift der Reformation
Martin Bucer fehlte zwischen 1529 und 1546 bei keinem der zahlreichen Religionsgespräche zur Verständigung zwischen den Konfessionsparteien. Er war auch intensiv an den Religionsgesprächen in Leipzig, Hagenau, Worms und Regensburg beteiligt, die in den Jahren 1539 bis 1541 von Kaiser Karl V. initiiert wurden, um zu einer Verständigung zwischen Protestanten und Katholiken zu gelangen. Bucer entwickelte sich durch seine unermüdliche Dialog- und Kompromissbereitschaft zum herausragenden Vermittlungstheologen, auch wenn er die zunehmende Konfessionalisierung letztlich nicht verhindern konnte.
Martin Bucers „Von Kirchengütern“ ist ein Zeugnis seiner Vorbereitung und Verarbeitung dieser Religionsgespräche. Denn bei der Entwicklung neuer Kirchenordnungen im Zuge der Reformation stellte sich die Frage, wie mit Kirchengütern (Eigentum, Nutzungsrechte bzw. Einkünfte aus Abgaben) zu verfahren sei. Konnten sie einfach in den Besitz der sich entwickelnden Evangelischen Kirche übergehen oder sollten sie säkularisiert werden? Es drohte ein Rechtsstreit zwischen Kaiser Karl V. und den Protestanten. Bucer argumentiert unter anderem mit dem richtigen Gebrauch von Kirchengütern, die dem Kirchendienst zugute kommen sollten, aber keinesfalls als Privatbesitz von Klerikern behandelt werden dürften. Zu diesem Zweck setzt er sich für eine Trennung der geistlichen und weltlichen Aufgaben ein und befürwortet eine Einziehung des Kirchengutes durch die protestantische Obrigkeit.
Der Druck von 1540 gehört trotz seines beachtlichen Umfangs von 139 Blatt zur Sammlung der Flugschriften der Reformation, eine Sammlung von ca. 1.800 alphabetisch geordneten Drucken, die gerade nicht von Martin Luther stammen. Die Luther-Drucke wurden in der weltberühmten, nach 1945 leider verschollenen Luther-Sammlung aufgestellt. Flugschriften waren eine bewährte Form zur Austragung von religiösen Diskussionen und Streitfragen – und zwar für alle protestantischen Bewegungen. Über Flugschriften ließ sich reformatorisches Gedankengut bestens verbreiten, da sie in deutscher Sprache und zudem verständlich geschrieben wurden. Da vielerorts die Herstellung und sogar der Besitz von reformatorischen Schriften unter Strafe stand, wurde die Herkunft dieses Werkes verschleiert. Bucer verwendete das Pseudonym Konrad Trewe von Friedensleben, der Straßburger Drucker Johann Prüss tarnte sich im Kolophon als „Johan Gutman“ aus „Freiberg“.
Bucers Werk im Kurfürstlichen Einband
Die rotbraune Farbe und der Firnis auf den Buchdeckeln lässt eindeutig erkennen: Unser Exemplar war bereits in der Bibliothek des Großen Kurfürsten vorhanden. Noch im 16. und 17. Jahrhundert galten Bücher als Luxusgegenstände und Sammelobjekte, sodass an vielen europäischen Fürstenhöfen Bibliotheken entstanden, die diesen Besitz zur Schau stellten. Der Hohenzoller Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640-1688) begründete mit seiner Privatbibliothek die spätere Königliche Bibliothek. Im Vordergrund stand nicht nur der Ausbau und die Pflege der Kurfürstlichen Bibliothek, sondern auch deren angemessene Repräsentation. Dazu zählte der Plan eines formvollendeten Bibliotheksbaus und auch die Bücher selbst sollten Teil der Architektur sein, im einheitlichen roten Rindsledereinband. Der Tod des Großen Kurfürsten im Jahr 1688 verhinderte den Bibliotheksbau, doch die Einbände sind noch heute im Historischen Bestand der Staatsbibliothek sichtbar. Fehlende finanzielle Mittel waren ein Grund dafür, dass in vielen Fällen lediglich der Rücken erneuert und die vorhandenen Buchdeckel rot eingefärbt wurden.
Die Mittel aus der Spendenbox ermöglichen uns nun, diesem Druck aus der Reformationszeit die dringend notwendige Restaurierung des Einbandes und der Heftung zukommen zu lassen und so den Band für die Benutzung wieder zugänglich zu machen. Mit den übrigen Mitteln können noch einige stark angegriffene Einblattdrucke restauriert werden.
Allen Spenderinnen und Spendern sei an dieser Stelle herzlich gedankt!
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