Handschriften aus dem Jemen digitalisiert
570 teils seltene oder unikale Werke sind nun zugänglich
In einem Digitalisierungsprojekt in Kooperation mit dem vom NEH geförderten Portal „The Zaydi Manuscript Tradition“ unter der Leitung von Prof. Sabine Schmidtke (Institute for Advanced Study, Princeton) wurden weitere 214 jemenitische Handschriften der Staatsbibliothek zu Berlin im Volltext zugänglich gemacht.
Mit Abschluss des Projektes im Dezember 2019 sind somit sämtliche arabischen Handschriften aus dem Jemen digitalisiert – exakt 571 Werke in 351 Bänden. Sie können in Kürze über die Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek und das Projektportal aufgerufen werden. Eine vertiefte Erschließung der Materialien findet sich in der Datenbank orientalischer Handschriften der Staatsbibliothek zu Berlin „Orient-Digital“.
Kontakte in den Iran und nach Südasien
Unter den Berliner Handschriften haben sich zahlreiche bedeutende und einige sehr seltene Texte der arabischen Schriftkultur aus dem Süden der Arabischen Halbinsel erhalten. Das Bergland des Jemens wurde seit dem 10. Jahrhundert von einer islamisch-schiitischen Strömung geprägt, den Zaiditen, die in regem intellektuellem Austausch mit Gelehrten anderer Regionen der islamischen Welt standen. Dazu gehört insbesondere der Norden Irans. In den bergigen und abgelegenen Gebieten des Jemens haben sich Überlieferungen etwa rationalistisch-theologischer Strömungen erhalten, deren Textzeugnisse lange als verschollen galten. Ein Beispiel ist das „Buch der Streitfragen zwischen Basrensern und Bagdadenser“ von Abū Rašīd an-Nīsābūrī, dem führenden Denker der rationalistischen Strömung der Muʿtazila im 11. Jahrhundert. Diese Abhandlung zur Naturphilosophie galt lange als verschollen.
Auch andere islamische Minderheiten fanden in den Bergen des Jemens einen Rückzugsort, ohne aber den Kontakt zur Außenwelt zu verlieren: Im 18. Jahrhundert emigrierte ʿAlī ibn Saʿīd al-Yaʿburī al-Hamdānī aus dem Jemen nach Indien und etablierte enge Verbindungen zwischen den Gemeinschaften der Bohra-Ismailiten in beiden Ländern. Sieben Handschriften aus der Burchardt-Sammlung illustrieren diese Verbindung. Sie wurden von Nachfahren al-Hamdānīs kopiert.
Sammlungen von Orientalisten und Reisenden
Der überwiegende Teil (261 Bände) jemenitischer Handschriften setzt sich aus den Sammlungen zusammen, die der österreichische Forschungsreisende Eduard Glaser (1855-1908) auf seinen ersten beiden Reisen in den Jemen 1883-4 und 1885-6 für die Berliner Bibliothek erwarb. Doch gibt es im nun digitalisierten Bestand viele weitere Überraschungen zu entdecken: z.B. 18 jemenitische Handschriften aus der Sammlung des Arabisten Carlo Landberg (1848-1924), 17 Handschriften aus dem Nachlass des Fotografen und Orientreisenden Hermann Burchardt (1857-1909) sowie viele Einzelerwerbungen aus verschiedenen Epochen. Bereits aus der Gründungszeit der Bibliothek findet sich eine jemenitische Handschrift im Bestand. Sie stammt aus dem Besitz des deutschen Orientalisten Christian Raue (1613-1677). Sie enthält das wichtigste Rechtshandbuch der Zaiditen, das Kitāb al-Azhār. Die Handschrift ist die älteste bekannte Abschrift dieses Werkes und entstand noch zu Lebzeiten des Verfassers.
Digitalisiert wurde auch die Sammlung von 14 jemenitischen Handschriften, die 2018 vom Londoner Antiquariat Bernard Quaritch Ltd. erworben werden konnte sowie 26 Handschriften, die 2015 von Rosemarie Quiring-Zoche im VOHD-Band XVII B7 (Arabische Handschriften, band 7) katalogisiert wurden.
Weitere Informationen zu den Berliner jemenitischen Handschriften finden Sie auf den Seiten der Google Arts&Culture Ausstellung.
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