„Acht Schwestern“ – Die letzte Ära der großen Frachtsegler

 

Ein Beitrag aus unserer Reihe Meere und Ozeane zum Wissenschaftsjahr 2016*2017 von Sabine Teitge

 

Das Meer und die Schifffahrt sind untrennbar mit einander verbunden. Auf Hafenrundfahrten kann man die großen Ozeanriesen bestaunen, die heute die Weltmeere befahren – darunter Luxusliner der Kreuzfahrt und gigantische Containerschiffe mit teilweise mehr als 360 Metern Länge. Zur Geschichte der Schifffahrt gehören aber auch die großen Frachtsegler, die heute fast nur noch bei großen Windjammerparaden – z.B. der Kieler Woche – zu bewundern sind. Dabei sind es gerade die Segelschiffe, die die Betrachter in ihren Bann ziehen und Fernweh wecken – auch als Frachtsegler büßen sie nichts an Schönheit ein.

 

Windjammer auf der Sail 2000 in Bremerhaven / Wilfried Wittkowsky (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1e/Windjammertreffen_Sail%2C_Bremerhaven%2C_2000.jpg) - Nutzungsbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Windjammer auf der Sail 2000 in Bremerhaven / Wilfried Wittkowsky (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1e/Windjammertreffen_Sail%2C_Bremerhaven%2C_2000.jpg) – Nutzungsbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

 

Die Flying P-Liner

Berühmt für ihre unverwüstlichen leistungsstarken Frachtsegler ist die alteingesessene Hamburger Reederei F. Laeisz, die1824 durch Ferdinand Laeisz gegründet wurde. Neben ihrem Stammhaus in Hamburg unterhält sie Sitze in Rostock, Bremerhaven und Grabow. Auch sie ist auf den Weltmeeren mit Container-, Massengut-, Gas- und Car Carrier und Forschungsschiffen vertreten. In der Vergangenheit war sie aber vor allem für ihre schnellen und robusten Großsegler, Flying P-Liner genannt, bekannt. Fast alle Schiffe der Reederei F. Laeisz führen den Anfangsbuchstaben „P“ im Namen und sind in den Reedereifarben schwarz (Rumpf über der Wasserlinie), weiß (Wasserlinie) und rot (Unterwasserschiff) gestrichen. Ihren Weltruf erlangten die Segler durch ihre einzigartige Verbindung von Geschwindigkeit und wetterunabhängiger Sicherheit. Damit waren sie nicht weniger zuverlässig als die neuen Dampfschiffe und konnten dem aufkeimenden Wettbewerbsdruck erstaunlich lange standhalten.

Dünger und Sprengstoff

Haupteinsatzgebiet der Großsegler war die Salpeterfahrt. Als Salpeterfahrt wurde der Transport von Salpeter Chile nach Europa vom 19. bis ins erste Drittel des 20. Jahrhunderts auf dem Seeweg bezeichnet. Salpeter diente für die Herstellung von Dünger und Sprengstoff als ein wertvoller Rohstoff. Erst mit dem Beginn der industriellen Produktion von Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfahren und Ostwaldverfahren wurden diese Transporte unnötig.

Die Acht Schwestern

Zu den insgesamt 83 legendären Flying P-Linern gehörten neben der Pommern (liegt heute als Museumsschiff in Mariehamn (Finnland)) die als „acht Schwestern“ bezeichneten letzten acht Großsegler, die die Reederei in Dienst stellte. Es waren die zwischen 1903 und 1926 erbauten Viermastbarken Pangani, Petschili, Pamir, Peking, Passat, Pola, Priwall  und Padua (heute Kruzenshtern). Diese Bezeichnung ist allerdings nicht korrekt, da Schwesternschiffen gleiche Baupläne zugrunde liegen. Echte Schwesternschiffe waren Peking und Passat  bzw. Pola und Priwall. Nach sehr unterschiedlichen Schicksalen sind von den „acht Schwestern“ heute noch die Passat (Travemünde), die Peking (New York) und die Kruzenshtern (ehemals Padua) erhalten.

Pangani und Petschili – die Ersten der Letzten

Die Segler Pangani und Petschili aus der Werft Joh. C. Tecklenborg, Geestemünde (Wesermünde) liefen beide 1903 vom Stapel. Leider war ihnen nur ein kurzes Leben beschieden. Schon im Januar 1913 sank die Pangani im Ärmelkanal nach einem Zusammenstoß mit dem französischen Dampfer Phryné. Die Petschili wurde nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges interniert und lag die nächsten fünf Jahre im Hafen von Valparaíso vor Anker, wo sie durch einen Sturm 1919 zerstört wurde.

Pamir – das Ende der frachtfahrenden Schulschiffe

1905 erfolgte die Indienststellung der Pamir (gebaut bei Blohm & Voss). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie als Reparationsleistung an Italien abgetreten. Der Reederei F. Laeisz gelang es 1924 die Pamir für nur 7.000 Pfund Sterling zurück zu erwerben. Die Salpeterfahrten wurden allerdings unrentabel und so wurde die Pamir 1931 für 60.000 Reichsmark an den Reeder Gustaf Erikson aus dem finnischen Mariehamn (Alandinseln) verkauft. Neben Weizentransporten aus Australien wurde sie ab 1937 für Transporte von Guano und Nickelerz sowie Wolle, Kohle und anderen Ladungen eingesetzt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie 1941 im Hafen von Wellington (Neuseeland) von einem neuseeländischen Zollbeamten als Prise beschlagnahmt und fuhr danach unter neuseeländischer Flagge. 1948 wurde die Pamir feierlich an Erikson zurückgegeben und wieder unter finnische Flagge gestellt. Nach mehreren weiteren Eignerwechseln wurde der Segler in den 1950er Jahren (wie auch die Passat) als Frachtsegelschulschiff zwischen Europa und Südamerikas Ostküste eingesetzt. Die Pamir sank 1957 in dem Hurrikan „Carrie“ etwa 600 Seemeilen (ca. 1.100 km) westsüdwestlich der Azoren. Die Unglücksursache ist zwar bis heute umstritten, führte aber zu einer  Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen für Großsegler und Schulschiffe. Der Untergang der Pamir und die Außerdienststellung der Passat bedeuteten das Ende der frachtfahrenden Schulschiffe.

Peking – Bald als Museumsschiff wieder in Hamburg

Die Peking lief 1911 bei Blohm & Voss vom Stapel. 1932 wurde das Schiff in Folge der Weltwirtschaftskrise an die Shaftesbury Homes and Arethuse Training Ship, London verkauft. Sie wurde zu einem stationären Schulschiff umgebaut und in Arethusa umbenannt. 1974 wurde die Viermastbark an die J. Aron Charitable Foundation versteigert. 1975 gelangte der Rumpf der Peking nach New York. Dort wurde sie originalgetreu wieder aufgeriggt. Auch ihr alter Heimathafen „Hamburg“ prangt nun wieder am Heck. Seitdem liegt sie unter ihrem ursprünglichen Namen Peking am Pier des South Street Seaport Museum in New York. 2015 beschloss der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, die mittlerweile völlig marode Peking für das im Aufbau befindliche Hafenmuseum Hamburg nach Hamburg zurückzuholen.

Passat – Herberge für Schulklassen

Ebenso 1911 verließ das Schwesternschiff Passat die Werft von Blohm & Voss. Der Frachtsegler wurde in den 1950er Jahren als Frachtsegelschulschiff zwischen Europa und Südamerikas Ostküste eingesetzt, bis sie 1957 wegen Unrentabilität außer Dienst gestellt wurde. Die Stadt Lübeck kaufte sie 1959 und seit 1960 dient sie als stationäres Museumsschiff, Jugendherberge und Veranstaltungsort in Travemünde.

Viermast-Stahlbark Passat, ein Museumsschiff in Travemünde. Blick vom alten Leuchtturm / Jürgen Howaldt (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/aa/Viermastbark_Passat_in_Travemuende-1.jpg) - Ränder beschnitten - Nutzungsbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Viermast-Stahlbark Passat, ein Museumsschiff in Travemünde. Blick vom alten Leuchtturm / Jürgen Howaldt (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/aa/Viermastbark_Passat_in_Travemuende-1.jpg) – Ränder beschnitten – Nutzungsbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

 

Pola und Priwall

Die ebenfalls von Blohm & Voss gefertigen Schwesternschiffe Pola und Priwall ereilte kein gutes Schicksal: Während die Pola nach ihrem Stapellauf 1916 und Fertigstellung 1919  gleich als Reparationsleistung an Frankreich ausgeliefert und dort 1933 abgewrackt wurde, fuhr die 1920 ausgelieferte Priwall zwei Jahrzehnte über die Weltmeere – ab 1941 unter chilenischer Flagge. Doch nach einem Brand explodierte das in Lautaro umbenannte Schiff 1945 vor der Küste Perus.

Kruzenshtern (ehemals Padua): 90 Jahre und kein bisschen müde

Die Padua lief als letztes Schiff der Werft Joh. C. Tecklenborg 1926 vom Stapel und wurde als  Frachtsegler und Segelschulschiff eingesetzt. Ebenso diente es als Filmkulisse für die Filme „Die Meuterei auf der Elsinore„, „Ein Herz geht vor Anker“ und „Große Freiheit Nr. 7″ .

Kruzenshtern. Quelle: Privat. Rechte vorbehalten.

Kruzenshtern. Quelle: Privat. Rechte vorbehalten.

Kruzenshtern. Quelle: Privat. Rechte vorbehalten.

Kruzenshtern. Quelle: Privat. Rechte vorbehalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Padua als Reparationsleistung an die Sowjetunion. Neuer Heimathafen wurde Kaliningrad. Es erfolgte eine Umbenennung nach dem deutsch-baltischen Kapitän und russischen Admiral Adam Johann von Krusenstern. Der neue Name lautet Kruzenshtern (russisch Крузенште́рн). Im Deutschen findet man vielfach den Namen Krusenstern. Heute nutzt das russische Ministerium für Fischwirtschaft die Kruzenshtern zur Ausbildung des Nachwuchses der Fischereiflotte. Seit 1974 nimmt die Kruzenshtern an vielen internationalen Regatten teil, so auch an der Kieler Woche und der alle fünf Jahre stattfindenden Sail in Bremerhaven. Dabei werden zunehmend auch zahlende Passagiere (Trainees) mitgenommen, die zum Unterhalt des Schiffes beitragen. Die Kruzenshtern ist der Einzige der berühmten Flying P-Liner der Flotte der Reederei F. Laeisz, der noch heute auf den Weltmeeren zu Hause ist. Wünschen wir diesem Traditionssegler auch weiterhin immer eine Handbreite Wasser unter dem Kiel.

Kruzenshtern. Quelle: Privat. Rechte vorbehalten.

Kruzenshtern. Quelle: Privat. Rechte vorbehalten.

 

Die Staatsbibliothek zu Berlin hat in ihrem Bestand zahlreiche Publikationen zum Thema Schiffe und Schifffahrt. Eine Auswahl finden Sie hier.

 

Vorschau: Schiffe und Meeresbewohner sind nicht nur auf dem Wasser aktiv, sondern auch in der Politik – Bewegen Sie sich mit uns im nächsten Beitrag auf politischem Parkett und erfahren Sie, welche Meeresthemen dort eine Rolle spielen.

 

2 Kommentare
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    Matthias Weber sagte:

    Die PETSCHLI wurde nicht bei Tecklenborg gebaut. Sie lief als Baunummer 165 bei Blohm & Voss in Hamburg vom Stapel.

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  2. Avatar
    Ulf sagte:

    Ich besitze das Steurrad eines Schwesterschiffes. Kann jemand helfen es zu identifizieren?
    Kompass in der Messing-Nabe!
    Preussen?

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