Nicht nur „Bankiers, Künstler und Gelehrte“ – die Mendelssohns in der Staatsbibliothek

„Bankiers, Künstler und Gelehrte“ – so umriss Felix Gilbert die Wirkungsbreite der Familie Mendelssohn für die deutsche Kultur-, Geistes- und Wirtschaftsgeschichte, als er 1975 eine Auswahl von Briefen verschiedener Nachfahren Moses Mendelssohns abseits der drei „Stars“ Moses Mendelssohn, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Fanny Hensel publizierte. Tatsächlich dürfte Gilbert, selbst ein Urenkel des Komponisten Felix, den Rahmen noch zu eng gespannt haben – neben Philosoph*innen und Musiker*innen sowie Angehörigen der genannten Berufsgruppen finden sich in der Nachkommenschaft Moses Mendelssohns beispielsweise auch Persönlichkeiten aus Rechtspflege, Naturwissenschaften, Technik und Medizin.

Moses Mendelsohn: Opera philosophica, lat. Übersetzung von Joseph Grossinger, Bd. 2, Wien / Leipzig 1784 (Ni 1166-1/2)

Moses Mendelsohn: Opera philosophica, lat. Übersetzung von Joseph Grossinger, Bd. 2, Wien / Leipzig 1784 (Ni 1166-1/2) Digitalisierte Sammlungen der SBB

Möglicherweise war es das Bewusstsein der gemeinsamen Abstammung von dem berühmten Philosophen Moses und von dessen Bedeutung für die deutsche Geistesgeschichte, die unter seinen Nachfahren einen ausgeprägten Familiensinn erwachsen ließ. Dieser schlug sich nicht nur in verschiedenen Publikationen zur Biographie ausgewählter Vorfahren nieder, sondern führte auch dazu, dass Manuskripte, Briefe und sonstige Familiendokumente sorgsam gehütet und von einer an die nächste Generation weitergegeben wurden. Hinzu kommen insbesondere seit dem frühen 20. Jahrhundert Bemühungen einzelner Familienangehöriger, Quellen zur Familiengeschichte gezielt zu sammeln, sei es durch den Erwerb der Originalquellen, sei es durch die Anfertigung von Abschriften.

Arnold Mendelssohn: Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird. Motette op. 81,1. Autograph, 1918 (Mus.ms.autogr. Mendelssohn, A. 78 N)

Arnold Mendelssohn: Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird. Motette op. 81,1. Autograph, 1918 (Mus.ms.autogr. Mendelssohn, A. 78 N) Digitalisierte Sammlungen der SBB

All diesem ist es zu verdanken, dass sich nicht nur zu Schaffen und Wirken derjenigen Mendelssohns, die zu Lebzeiten publizistisch oder künstlerisch im Licht der Öffentlichkeit standen, eine große Zahl von Manuskripten, Briefen und Lebensdokumenten erhalten haben. Auch das Leben vieler weiterer, (heute) weniger bekannter Familienmitglieder ist durch Originalquellen ungewöhnlich gut dokumentiert. Eine große Zahl solcher Quellen gelangte im Laufe der letzten 150 Jahre in die Bestände der heutigen Staatsbibliothek zu Berlin: Schon 1878 kam der kompositorische Nachlass Felix Mendelssohn-Bartholdys als Schenkung seiner Erben in die Musikabteilung der damaligen Königlichen Bibliothek, 1934 folgte der Nachlass von Felix‘ Großneffen Arnold Mendelssohn.

Felix Mendelssohn Bartholdy: Florenz. Aquarell aus dem Album seiner Schwester Fanny Hensel, ca. 1834 (MA BA 188,38)

Felix Mendelssohn Bartholdy: Florenz. Aquarell aus dem Album seiner Schwester Fanny Hensel, ca. 1834 (MA BA 188,38) Digitalisierte Sammlungen der SBB

1964 übereignete dann Hugo von
Mendelssohn-Bartholdy, ein Urenkel des Komponisten, der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz das von ihm in den Jahren und Jahrzehnten zuvor in Basel aufgebaute „Mendelssohn-Archiv“ mit Materialien zu unterschiedlichsten Zweigen der Familie. Dieses Archiv umfasste nicht nur Texthandschriften, Notenmanuskripte und Briefe, sondern auch eine große Sammlung von Porträts und Bildmaterialien bis hin zur obligatorischen Haarlocke Felix Mendelssohn Bertholds. Der Musikabteilung angegliedert, wird es im Sinne seines Stifters bis heute als Sammelstätte für Quellen aus der gesamten Familie Mendelssohn weitergeführt. Teilnachlässe und Einzeldokumente gelangten außerdem auch in die Sammlungen der Abteilung Handschriften und Historische Drucke. Selbstverständlich werden daneben seit jeher auch gedruckte Publikationen aus der Familie Mendelssohn in breiter Auswahl gesammelt.

Anteilsschein der "Bau-Gesellschaft für Eisenbahn-Unternehmungen […] F. Plessner & Comp." für Paul Mendelssohn-Bartholdy (MA Nachl. 5,XII/VI,53

Anteilsschein der „Bau-Gesellschaft für Eisenbahn-Unternehmungen […] F. Plessner & Comp.“ für Paul Mendelssohn-Bartholdy (MA Nachl. 5,XII/VI,53

Die Vielfalt der Talente und Begabungen, die die Familie Mendelssohn hervorgebracht hat, spiegelt sich somit auch in den in der Staatsbibliothek verwahrten Quellen wider. Auf den Webseiten der Musikabteilung werden daher seit kurzem die Lebenswege von 14 ausgewählten Mendelssohns mit einer knappen biographischen Skizze und einer oder mehreren Abbildungen näher vorgestellt. Ergänzt werden diese biographischen Angaben durch Hinweise auf die wichtigsten in der Staatsbibliothek vorhandenen Quellen von und über die betreffende Person. Dementsprechend orientiert sich die Auswahl der vorgestellten Personen sowohl an ihrer historischen Bedeutung als auch an Umfang und Bedeutung der in der Staatsbibliothek vorhandenen relevanten Quellen.

 

Abraham Mendelssohn: Brief an Bella Salomon, 15.11.1805 (MA Depos. 3,3,1)

Abraham Mendelssohn: Brief an Bella Salomon, 15.11.1805 (MA Depos. 3,3,1) Digitalisierte Sammlungen der SBB

Die Hinweise zur Quellenlage folgen stets demselben Aufbau. Auf einen kurzen Überblick folgt zunächst eine Auflistung einzelner Bestände und (Teil-)  Nachlässe, in denen in besonderem Umfang Material zur betreffenden Person vorhanden ist. Hieran schließen sich pauschale Hinweise auf Briefe, Dokumente und ggf. Werke an. Links in die elektronischen Nachweissysteme der Staatsbibliothek bieten einen niederschwelligen Einstieg in die Recherche. Im Falle der Bestände und Nachlässe führen diese auf pauschale Bestandsbeschreibungen in der Datenbank Kalliope, von denen aus über die Funktion „Im Findbuch anzeigen“ die darin enthaltenen Dokumente (soweit bereits in Kalliope erschlossen) aufgerufen werden können; ansonsten wird jeweils eine Suche nach der betreffenden Person ausgelöst. Gleiches gilt für die Links zu den Digitalisate, die einen unmittelbaren Zugriff auf bereits online verfügbare Quellen in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek ermöglichen.

Zu den Mendelssohn-Seiten der Staatsbibliothek.

 

1 Antwort
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    Friedrichs, Mechthild sagte:

    Mein UrUrGrossvater, der Maler Georg Otto Eduard Saal (1817-1870), soll mit Felix Mendelssohn-Bartholdy musiziert und gemalt haben. Aus seinem Nachlass besitze ich eine Viisitenkarte von Clara Schumann mit einer Locke von Felix Mendessohn Bartholdy.

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