Seltene hebräische Drucke aus Shanghai erworben
Kurz vor Jahresende gelang der Staatsbibliothek zu Berlin mit Unterstützung durch einen Straßburger Antiquar ein weiterer großartiger Kauf: Unter den etwa 20.000 Menschen, denen es in den Jahren 1938 bis 1941 gelungen war, nach Schanghai zu fliehen, befanden sich viele Juden. Auch an ihrem Zufluchtsort legten sie großen Wert auf kulturelle und religiöse Bildung und druckten zahlreiche Bücher – diese jedoch in sehr geringen Auflagen, was die Drucke besonders rar macht. 120 dieser Bücher konnte die Staatsbibliothek zu Berlin jetzt erwerben.
Zu den Drucken, alle religiösen Inhalts, gehören verschiedene Talmud-Traktate sowie andere grundlegende Werke der jüdischen Religion. Unter den bekanntesten sind der „Schulchan Aruch“ von Josef Karo, diverse Schriften des Gelehrten Moses Maimonides – so etwa „Sefer ha-Mitsvot“ und „Mishne Torah“ – sowie „Chochmat Adam“ von Rabbi Avraham Danzig.
In jenen Jahren waren in Shanghai Juden unterschiedlicher sozialer Stellungen, Glaubensrichtungen und kultureller Zugehörigkeiten zusammengetroffen. Eine besondere Gruppe bildeten etwa 2.000 Studenten, die zuvor an verschiedenen religiösen Lehrstätten Osteuropas ausgebildet worden waren. Unter ihnen waren nahezu alle Mitglieder der „Mirrer Jeschiwa“, einem 1814 in Polen gegründeten orthodoxen Lehrhaus, das sich heute in Jerusalem befindet und zu den größten jüdischen Lehrhäusern weltweit zählt. – Auch an ihrem Zufluchtsort setzten die jungen Leute ihre Studien intensiv fort, so dass Shanghai für kurze Zeit zu einem der aktivsten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit wurde.
Die für die Studien benötigten Bücher – zumeist Nachdrucke von Werken, die Flüchtlinge aus ihrer Heimat mitnehmen konnten – wurden nur in äußerst geringen Auflagen für den Eigenbedarf gedruckt und sehr viel benutzt. Aufgrund dessen sowie aufgrund der äußerst schwierigen Lebensbedingungen ihrer Besitzer – viele emigrierten später in die USA oder nach Palästina/Israel – sind die Shanghaier Bücher äußerst selten und oft nur als Einzelexemplare in verschiedenen Bibliotheken erhalten.
Schon vor drei Jahren konnte die Staatsbibliothek zu Berlin von demselben Antiquar eine Sammlung mit besonders rarer Literatur aus den Lagern der Displaced Persons erwerben. Diese umfasst 400 ebenfalls stark benutzte Hefte und Bücher, die in den Jahren 1945 bis 1950 entstanden waren. Beide Sammlungen jüdischer Literatur ergänzen sich jetzt aufs Beste, geben sie doch unmittelbare Einblicke in das jüdische Leben während bzw. unmittelbar nach der Shoah.
Ihr Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlassen Sie uns einen Kommentar!