Werkstattgespräch zu den Institutionen des Gaius am 13.01., 18.15 Uhr

"La trahison des images"

Auf den Spuren der ersten Bilder der Institutionen des Gaius zwischen römischem Privatrecht und deutscher Philologie

Prof. Dr. Mario Varvaro
(Università degli Studi di Palermo)

Die wichtigste Quelle für unsere Kenntnisse des klassischen römischen Rechts sind die Institutiones des Gaius, ein Rechtslehrbuch aus dem 2. Jahrhundert. Das Werk ist uns größtenteils aus einem 1816 von B. G. Niebuhr in der Kapitularbibliothek zu Verona entdeckten Palimpsest bekannt. Die untere Schicht dieser Handschrift wurde 1817 vom Juristen J. F. L. Göschen sorgfältig transkribiert und zum ersten Mal 1820 in Berlin veröffentlicht. Jedoch gründen sich heute sämtliche Druckausgaben der Institutionen des Gaius auf Arbeiten des deutschen Philologen W. Studemund. Als er von 1866 bis 1883 das Veroneser Palimpsest wiederholt in Augenschein nahm, um eine Abschrift (Apographum) und dessen "Supplementa" zu verfassen, hatten aber die schädlichen Auswirkungen der mehrmals benutzten chemischen Reagenzien diese Handschrift bereits in Mitleidenschaft gezogen. Studemund selbst erkannte an, dass seine Arbeite in einigen Punkten unvollständig geblieben waren. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass seine Lesarten zuweilen fehlerhaft waren. Auch das Apographum des Juristen E. Böckings (1866) ist in Teilen philologisch unzuverlässig und fehlerhaft. Es gibt weder alle handschriftlichen Anmerkungen wieder, noch die spezifische Bedeutung der verschiedenen Farben, die Göschen 1817 bei der ersten Abschrift des Palimpsestes verwendet hatte.

All dies muss jedoch bei einer neuen Textkonstitution der Institutionen berücksichtigt werden. Dabei muss man auch viele Informationen in Betracht ziehen, die in seinem bislang unedierten Briefwechsel mit anderen deutschen Juristen und Philologen enthalten sind. Anhand dieses ungedruckten handschriftlichen Materials kann die Geschichte der Entzifferung einiger Stellen des Gaius-Textes von einem neuen Standpunkt aus rekonstruiert werden.

Darüber hinaus kann gezeigt werden, wie einige in Studemunds Abschrift vorgeschlagene Lesarten von außen beeinflusst worden sind. Sowohl die Abschriften des 19. Jahrhunderts als auch die Druckausgaben der Gaius-Institutionen erweisen sich als "Bilder" eines Werks, die in die Irre führen können, wenn man sie in Betracht zieht, ohne das Original in Augenschein zu nehmen.
Organisatorische Daten:

13. Januar, 18.15 – 19.45 Uhr
Staatsbibliothek zu Berlin,
Haus Potsdamer Straße 33
Schulungsraum im Lesesaal
Treffpunkt in der Eingangshalle am i-Punkt/Erstinformation

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