Digitale Lektüretipps 35: Online-Angebote zur Frauen- und Geschlechtergeschichte – Teil 3
Ein Beitrag aus unserer Reihe Sie fehlen uns – wir emp-fehlen Ihnen: Digitale Lektüretipps aus den Fachreferaten der SBB
Nachdem wir Ihnen an dieser Stelle bereits eine Reihe von SBB-Ressourcen sowie Open Access-Angebote zur Frauen- und Geschlechtergeschichte vorgestellt hatten, wollen wir Ihnen heute noch einige Quellen aus unseren Digitalisierten Sammlungen näherbringen.
Vorab jedoch möchten wir an dieser Stelle auf die Fundgrube hinweisen, aus der wir die Motive zur Illustration dieser drei Blog-Beiträge geholt haben. Bei allen drei Darstellungen handelt es sich um historische Bildpostkarten aus der Sammlung von Prof. Dr. Sabine Giesebrecht der Universität Osnabrück. Die Sammlung umfasst über 19.000 Objekte, mit einem Schwerpunkt in der Frauengeschichte. Die Postkarten stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert und haben eine mögliche Öffnung der Streitkräfte für Frauen als Thema. Hintergrund ist hier das von den Gegner*innen der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert oft vorgebrachte Argument, Frauen könne keine staatsbürgerliche Gleichberechtigung zuerkannt werden, da sie nicht wie die Männer Militärdienst leisten. Übrigens: erst seit 2001 stehen Frauen alle Laufbahnen in der deutschen Bundeswehr uneingeschränkt offen.
Aber kommen wir zurück zu den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek. Dort finden Sie Digitalisate von Büchern, Handschriften und anderen Medien, die sich physisch im Bestand der Staatsbibliothek befinden. Derzeit sind dies insgesamt fast 170.000 Werke. Die Texte, die Sie hier finden, können Sie in der Regel nicht nur lesen, sondern auch dank spezieller Features sehr gut für Forschungszwecke nutzen. Für einen Großteil der Werke konnte eine Texterkennung bzw. OCR (Optical Character Recognition) umgesetzt werden. Mithilfe der OCR können aus sogenannten „Retrodigitalisaten“ – bspw. von Büchern aus dem 19. Jahrhundert – elektronische Volltexte erzeugt werden, die Sie für die Stichwortsuche oder auch für korpuslinguistische Analysen nutzen können. Die Anwendung der OCR auf historische Drucke oder Frakturschriften ist eine technisch komplexe Herausforderung, die an der Staatsbibliothek erforscht wird. Lesen Sie hierzu unter anderem einen Beitrag von Clemens Neudecker zum QURATOR-Projekt.
Wegen der herrschenden urheberrechtlichen Bestimmungen stehen Ihnen in unseren Digitalisierten Sammlungen vor allem ältere Werke zur Verfügung. Für die Erforschung der Frauenbewegung – bzw. allgemein der Frauen- und Geschlechtergeschichte – im Deutschen Reich und in der Weimarer Republik beispielsweise werden Sie hier unzählige interessante Werke finden. Eine kleine Auswahl möchten wir Ihnen hier vorstellen.
Die leider reichlich unbekannten Münchener Autorinnen Elisabeth und Mathilde Metzdorff-Teschner griffen 1914 das hier eingangs erwähnte Thema auf und schrieben einen Aufsatz mit dem Titel „Die allgemeine Wehrpflicht der Frau während des Krieges“ (Leipzig 1914), worin sie danach fragten, was angesichts der enormen Herausforderungen des Krieges mit den „gesunden, brachliegenden Frauenkräften“ (S. 6) geschehen solle. Zwei Jahre später veröffentlichten sie die Schrift „Frauenwehrnotpflicht – Staatsinteresse?“ (Leipzig 1916), die unter dem Motto stand: „Wenn wir unserm Vaterlande und der Menschheit nützen sollen, muß uns völlige Redefreiheit gestattet sein“. In einem ähnlichen Kontext zu verorten ist die Schrift „Der Krieg unser Erzieher! Ein Ruf an alle Streiter hinter der Front! Insbesondere an die deutschen Frauen und Jungfrauen!“ (Berlin 1916) des Theologen und Generalsuperintendenten Otto Dettmering (1867–1949).
Ein zentrales Thema in dieser Zeit war natürlich die Frage des Frauenwahlrechts, das in Deutschland 1918 eingeführt wurde. „Zur Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung“ (Bremen 1916) äußerte sich dabei die Frauenrechtlerin Auguste Kirchhoff (1867–1940), die Mitglied im Frauenstimmrechtsbund war. Nach Beendigung des Krieges veröffentlichte die Frauenrechtlerin Adele Schreiber (1872–1957) ihr Pamphlet „Frauen! Lernt wählen! Revolution und Frauenrecht“ (1919).
Zu den prominentesten Vertreterinnen der Ersten Frauenbewegung in Deutschland zählen Helene Lange (1848–1930) und Minna Cauer (1841–1922). Von Helene Lange finden Sie in unseren Digitalisierten Sammlungen die 1913 veröffentlichte Schrift „Das ›weibliche Dienstjahr‹“. Hierin setzt Lange sich kritisch mit den Vorschlägen ihrer konservativen Zeitgenossen auseinander, die junge Frauen „im Wartestand“ (also vor der Ehe) gern zu einer Art Zivildienst (in Analogie zum Wehrdienst) verpflichten wollten. Die Vorschläge für ein solches „Zwangs-Freiwilligenjahr“ reichten dabei von einer „hauswirtschaftlichen Durchbildung“ bis hin zu einem „Helferinnendienst bei der Armee für den Kriegsfall“ (S. 4). Für Lange stand dabei fest, dass über die Einführung eines solchen verpflichtenden Dienstes erst dann ernsthaft debattiert werden könne, „wenn die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, daß die Frau als gleichberechtigt neben dem Manne steht“ (S. 28).
Die Frauenbewegung wurde getragen von einem vielfältigen Netz von Vereinen. Einen Einblick in diese Vereinstätigkeit bietet eine Schrift Minna Cauers zum 25. Jubiläum des Vereins Frauenwohl Groß-Berlin aus dem Jahr 1913. Das kleine Buch bietet auch einen anschaulichen Einblick in die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung.
Immer wieder erstaunt es, wie sehr die mit der „Frauenfrage“ verbundenen Diskussionen im Kaiserreich heute noch aktuell sind. Als Beispiel sei hier der gesellschaftliche Umgang mit der Prostitution genannt. Anna Pappritz (1861–1939) war dabei eine der führenden Stimmen, die ein Verbot der Prostitution forderte. Nachlesen kann man ihre Standpunkte in der 1903 veröffentlichten Schrift „Die wirtschaftlichen Ursachen der Prostitution“.
Spannend sind nicht zuletzt die biographischen Hintergründe der Akteurinnen der Frauenbewegung. Viele der Frauen, wie zum Beispiel Helene Lange, stammten dabei aus bürgerlichen Verhältnissen. Für Adelheid Popp (1869–1939) gilt dies hingegen nicht. Sie wuchs in der Nähe von Wien in ärmlichsten Verhältnissen auf. Nach der Gründung der Republik Österreich zog sie für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs in den Nationalrat ein. Bereits im Jahr 1910 hatte sie mit dem Werk Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin eine kleine Autobiographie vorgelegt.
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