Get into the proof – mit Andruck zur Digitalisierung des typografischen Kulturerbes Berlins
Ziel unseres im Landesprogramm digiS geförderten Gemeinschaftsprojekts Die Sichtbarmachung des Sichtbaren mit Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, Erik Spiekermann Foundation gGmbH und Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin ist es, einen für Wissenschaft, Kreativwirtschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen relevanten Beitrag zu Erhalt, Zugänglichkeit und Visibilität des so reichen typografischen Kulturerbes der Hauptstadt in seiner materialen wie visuellen Vielfalt zu leisten.
Zu diesem Zweck sollen zum einen die insgesamt knapp 400 Werke umfassenden Bestände der beteiligten Einrichtungen an gemeinfreien Schriftproben Berliner Gießereien für den Akzidenz-und Buchdruck aus der Zeit vor 1951 erschlossen und digitalisiert werden. Solche Musterbücher mit einem Umfang von wenigen Blättern bis zu vielen hundert Seiten dienten Gießereiunternehmen wie Druckereien zur internationalen Vermarktung ihres jeweiligen Angebots an Schriften, Zeichen und Zierelementen. Da zahlreiche Berliner Gießereien – allen voran die im Zentrum des Projekts stehende Kreuzberger H. Berthold AG – gezielt konkurrierende heimische wie auswärtige Betriebe akquirierten, um sich so Zugriff auf deren gestalterisches bzw. technisches Knowhow zu verschaffen, sollen in diesem Zusammenhang auch Schriftproben ursprünglich unabhängiger Unternehmen aus Leipzig, Stuttgart und Wien einbezogen werden.
Zum anderen geht es dem Vorhaben darum, eine Auswahl von Holz-, Kunststoff- und vor allem Bleilettern Berliner Gießereien aus Erik Spiekermanns Sammlung in mehreren Versionen, Schriftschnitten und -graden vom Papierandruck zu digitalisieren und für die Nutzung als Computerfonts aufzubereiten. Unter ihrem Leitbild Hacking Gutenberg – Erhalt durch Produktion hat sich die gemeinnützige Stiftung des weltbekannten Gestalters nämlich der Bewahrung traditioneller handwerklicher Buchdrucktechniken sowie deren Weiterentwicklung im Möglichkeitsraum des Digitalen verschrieben. Dabei lohnen alleine schon die dort aufgestellten historischen Druckmaschinen den Besuch in Eriks öffentlich zugänglicher Druckwerkstatt p98a – einem Ort flirrender Kreativität.
Im Wesentlichen beinhaltet das von ihm verantwortete Arbeitspaket die fünf erfolgreichsten Schriftfamilien der global operierenden H. Berthold AG – Akzidenz-Grotesk, Berliner Grotesk, Block, Lo-Schrift und Fanfare – in insgesamt 120 Schnitten. Da die 90 bis 120 Zeichen eines Schriftsatzes (einschließlich u.a. von Ziffern und Sonderzeichen) in ihren verschiedenen Materialien, Größen und Stärken jeweils voneinander abweichend geschnitten sind – Holz- und Metalltypen wurden für unterschiedliche Zwecke wie z.B. den Druck von Plakaten und Büchern eingesetzt –, müssen Erik und sein Team, namentlich Lilith und Felix, dazu jeden einzelnen Schriftgrad setzen, andrucken und scannen sowie in Auswahl für den Computereinsatz digitalisieren. Welche Arbeitsschritte auf dem Weg dahin im Einzelnen zu gehen sind, sehen Sie in dieser Fotostrecke. Selbstverständlich werden sowohl die Digitalisate der Andrucke als auch die für die Einbindung in beliebige Textverarbeitungsprogramme geeigneten Fontdateien der Öffentlichkeit unter Open Content-Lizenzen zur freien Nachnutzung und kreativen Weiterentwicklung zur Verfügung gestellt.
Unter Berücksichtigung nicht nur der produktionsbedingten Unterschiede zwischen den wichtigsten Varianten der ausgewählten Drucktypen, sondern auch durch deren Vergleich mit den in den Musterbüchern publizierten Schriftentwürfen versteht sich das Vorhaben daher also zugleich als Impuls, das Methodeninstrumentarium der rasant expandierenden textuellen Materialitätsforschung für typografiehistorische Fragestellungen zu erproben – eine Dimension, die nicht nur uns, sondern auch unserer wissenschaftlichen Projektbegleitung, dem Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik, besonders wichtig ist. An diesem Zentralinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin untersucht(e) nämlich die Forschungsgruppe Matter of Typography Schriftgeschaltung als eine materielle Kultur der Distribution von Zeichen, während wir im Rahmen unserer kooperativ organisierten Vortragsreihe Die Materialität von Schriftlichkeit – Bibliothek und Forschung im Dialog ebenfalls beschriftete Artefakte in ihrer Objekthaftigkeit in den Blick nehmen.
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