Illustration aus R. F. Outcaults „Buster Brown Abroad“, London 1905, Exemplar der Kinder- und Jugendbuchabteilung, Staatsbibliothek zu Berlin - Lizenz: CC-BY-NC-SA 3.0

Comics – Kinderkram, für Nerds oder Hochkultur?

Am 25. und 26. Juni findet in Stuttgart die erste „Comic Con Germany“ statt. In nur wenigen Stunden stürmen zahlreiche Comic-Fans das Gelände der Messe und unzählige Cosplayer werden um die Gunst des Publikums buhlen. Schon lange nicht mehr auf Kinder und Jugendliche oder eine kleine Gruppe eingeweihter Liebhaber beschränkt, haben sich Comics längst die großen Bühnen und Kinoleinwände weltweit erobert. Wir wollen erzählen, warum die Staatsbibliothek auch in ihren Sammlungen dem Ende des Labels „Kinderkram“ Rechnung trägt.

Ein Gespräch von Silvia Faulstich, Volontärin in der Online-Redaktion der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit Carola Pohlmann, Leiterin der Kinder- und Jugendbuchabteilung sowie zuständig für Comics mit der Zielgruppe Kinder und Jugendliche, und Indra Heinrich, Fachreferentin für Kunst und Koordinierungsstelle für Comics im allgemeinen Bestand.

 

Seit 2015 sammelt die Staatsbibliothek in großem Maßstab Erwachsenencomics und Graphic Novels – früher fanden sie sich hauptsächlich in der Kinder- und Jugendbuchabteilung. Was macht sie heute für ein breiteres Publikum lesenswert?

Graphic Novels und Comics richten sich schon seit ihrem Entstehen an ein breites Publikum und erhielten von Beginn an durchaus auch großen Zuspruch von erwachsenen Leserinnen und Lesern. Allerdings wurden sie lange Zeit nicht als eigenständige Kunstform anerkannt. Dies änderte sich spätestens mit der Verleihung des Pulitzer-Preises an Art Spiegelman für seine Graphic Novel „Maus“ im Jahr 1992. Heute sind Graphic Novels und Comics als eigenständige Kunst- und Literaturform fest etabliert und aus den Feuilletons, dem Buchmarkt, den Museen und auch aus der Wissenschaft nicht mehr wegzudenken. Inzwischen gibt es sogar Dissertationen, die als Comic verfasst werden. Graphic Novels und Comics weisen eine breite Themenpalette auf, die ästhetische Fragen ebenso behandelt wie historische Themen, aktuelles Zeitgeschehen oder politische Analysen. Gerade die hybride Ästhetik durch die Verknüpfung von Schrift und Bild macht sie besonders interessant.

 

Wie definiert man eigentlich einen Comic „für Erwachsene“?

Grundsätzlich gibt es nicht den Comic für Erwachsene und damit auch keine festen Kriterien für einen Erwachsenen-Comic. Erwachsenen-Comics haben keinen einheitlichen Stil und unterscheiden sich in den Zeichnungen, Texten und der Gesamtgestaltung deutlich voneinander. Darüber hinaus sind die Grenzen zwischen Jugend- und Erwachsenen-Comics fließend. So gibt es nicht wenige Erwachsene, die Comics lesen, die sich in erster Linie an ein junges Publikum richten. Grundsätzlich kann man aber festhalten, dass sich Comics für Erwachsene vor allem durch die Art und Komplexität ihrer Darstellung von Kinder- und Jugendcomics unterscheiden, weniger durch die in ihnen behandelten Themen. Allerdings gibt es gewisse thematische Schwerpunkte für die einzelnen Altersgruppen: Beispiele für „Erwachsenenthemen“ in Comics sind etwa die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, dem Ersten Weltkrieg oder anderen politischen Umbrüchen. Themen wie Adoleszenz oder Adaptionen von Märchen sind dagegen eher im Kinder- und Jugendbereich zu verorten.

 

Wie wirkt sich die neue Strategie auf die Ankäufe für die Kinder- und Jugendbuchabteilung aus?

Die Kinder- und Jugendbuchabteilung sammelt wie bisher Comics und Graphic Novels, die sich primär an diese Zielgruppe richten. Neben modernen Comics für Kinder und Jugendliche werden auch Bildergeschichten aus dem 19. Jahrhundert als Vorform von Comics sowie frühe Kindercomics antiquarisch erworben.

 

Deutschlandweit gibt es vermehrt Forschungsprojekte zu den Bildgeschichten. Plant auch die Staatsbibliothek, zu einzelnen Titeln oder Themen vertieft zu forschen?

Aktuell sind keine eigenen Forschungen zu diesem Thema geplant. Wir konzentrieren uns zunächst darauf, unsere Bestände in diesem Bereich auszubauen und damit – unserem Selbstverständnis als Forschungsbibliothek entsprechend – die Grundlage für Forscherinnen und Forscher auf diesem Gebiet zu schaffen sowie weitere Forschungen in diesem Bereich zu initiieren.

 

Zu Ihren Neuerwerbungen gehören einige „Klassiker“ der Comicgeschichte – Superman, Batman, Captain America. Finden sich in Ihren Sammlungen auch rare Perlen fernab von der amerikanischen Comictradition?

Grundsätzlich ist Amerika neben Japan sicher der wichtigste Comicmarkt der Welt. Deswegen durften bei unseren retrospektiven Erwerbungen auch die Superhelden-Comics nicht fehlen – zumal dies ein sehr intensiv beforschter Bereich ist. Dennoch haben wir bei den Neuwerbungen auch viele Ikonen des europäischen Comics wie etwa Hugo Pratt und Guido Crepax aus Italien, die französischsprachigen Künstler André Franquin und Jacques Tardi oder auch Alan Moore aus Großbritannien berücksichtigt. Zudem erwirbt die Staatsbibliothek auch in ihren Sonderabteilungen wie zum Beispiel in der Ostasienabteilung oder der Orientabteilung Comics, Graphic Novels und Mangas, sodass durchaus auch andere Comictraditionen in unseren Beständen sichtbar sind.

In der Kinder- und Jugendbuchabteilung sind einige wertvolle historische Comics vorhanden, bspw. Ausgaben von R. F. Outcaults „Buster Brown“, Beispiele früher Comicserien der Bundesrepublik wie „Nick, der Weltraumfahrer“ und „Tibor, Sohn des Dschungels“, eine vollständige Sammlung des DDR-Kult-Comics „Mosaik“ von Hannes Hegen sowie die Erstausgabe von Wilhelm Buschs Bildergeschichte „Max und Moritz“, die als Vorbild der „Katzenjammer Kids“ und damit als Vorläufer der Comics gilt. Aktuell werden Beispiele für Kindercomics nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus anderen europäischen Ländern erworben, darunter Frankreich, Italien und Spanien, aber auch aus Indien, Indonesien und Japan.

 

Comics und Graphic Novels sind nicht nur Literatur- sondern auch Kunstform. Gibt es Anknüpfungspunkte – beispielsweise zu Druckerzeugnissen – in den Sammlungen der Museen oder der Kunstbibliothek?

Als hybride Kunstform hat der Comic schon immer Anregungen aus anderen Gattungen aufgenommen. Um diese Querverbindung deutlich zu machen, braucht es den Zugang zu der ganzen Vielfalt der Bestände an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – von den Druckgrafiken über Zeichnungen bis hin zu den modernen Kunstwerken beispielsweise Andy Warhols oder Roy Lichtensteins.

 

Sie möchten virtuell die neuen Comic-Bestände der Staatsbibliothek durchstöbern oder benötigen noch eine Idee für ein Comic-Outfit? Dann empfehlen wir Ihnen diese Volltext-Datenbank: „Underground and Independent Comics and Graphic Novels Series“.

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