Nutzung der technischen Schnittstellen leicht gemacht
Gastbeitrag von Ulrike Förstel
Seit 2018 bietet die Staatsbibliothek über das Stabi-Lab einen interaktiven Online-Zugang zu ihren Kulturerbe-Daten, mit Daten-Dumps, freien Downloads, offenen Interfaces und Schnittstellen, wie der OAI-PMH, SRU oder IIIF. Während der ursprüngliche Zweck der Schnittstellen, Datenaustausch zwischen Bibliotheken, immer noch den Großteil der Nutzungen ausmacht, ist es durch die Massendigitalisierung des schriftlichen Kulturerbes relevanter geworden, diese Ergebnisse interessierten Nutzenden zugänglich zu machen, ihnen also die Möglichkeit zu geben, Metadaten und Objekte über internetbasierte Schnittstellen auslesen und nachnutzen zu können.
Um das Angebot der Stabi-Labs rund um den digitalen Bestand von über 160 Millionen Aufsätzen, Büchern, Zeitungen und Digitalisaten zu erweitern und für potenzielle Nutzende den Einstieg in die Nutzung der technischen Schnittstellen niedrigschwelliger zu gestalten, habe ich in meiner Bachelorarbeit im Studiengang Informations- und Datenmanagement an der Fachhochschule Potsdam konkrete Maßnahmen dafür konzipiert.
Um die Maßnahmen auf eine breite wissenschaftliche Basis zu stellen, wurde zunächst ein systematischer Vergleich von Angeboten und Hilfestellungen zur Nutzung der technischen Schnittstellen von Bibliotheken durchgeführt. Dabei lag der Fokus exemplarisch auf großen National- und Staatsbibliotheken sowie wissenschaftlichen Bibliotheken im deutschsprachigen Raum. Die gesichteten Angebote halfen dabei, potenzielle Probleme der Nutzer zu erkennen und die angebotenen Lösungsoptionen zu katalogisieren. Dieser Vergleich basierte auf der heuristischen Evaluation von Jakob Nielsen, bei der Evaluatoren Webseiten oder das Interface-Design von Produkten anhand vorher festgelegter Usability-Kriterien betrachten. Es wurden nur diejenigen Usability-Kriterien von Nielsen ausgewählt, die für die spezifische Fragestellung der Arbeit relevant waren: nämlich herauszufinden, welches der Angebote am niedrigschwelligsten und damit für die größte Nutzergruppe geeignet ist. Nielsens Usability-Kriterien wurden um Kompetenzen aus dem Deutschen Qualitätsrahmen erweitert, da sie die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse beschreiben, die ein Individuum benötigt, um die Hilfestellungen effektiv nutzen zu können. Diesen wurde eine Bewertungsskala von niedrigschwellig bis schwierig zugrunde gelegt, die sich an den Niveaustufen des Deutschen Qualitätsrahmens orientiert. Insgesamt wurden 10 Hilfestellungen von 6 verschiedenen Bibliotheken verglichen: 6 Dokumentationen auf Webseiten, 2 Online-Coding-Tutorials, 1 Erklärvideo und 1 Wiki. Dabei wurde von einem theoretischen Nutzungsszenario ausgegangen, in dem Nutzende Informationen über die OAI-PMH-Schnittstelle abfragen und herunterladen wollen, um diese lokal weiter zu verwenden.
Bei dem Vergleich ist aufgefallen, dass die Dokumentationen auf den Webseiten der Bibliotheken weniger gut abschneiden, da die Navigation zu den Angeboten oft schwierig ist. Darüber hinaus werden nicht alle Abfrageelemente der Schnittstelle erläutert, und bei 4 von 6 Dokumentationen fehlen Erläuterungen zu den verschiedenen Metadatenformaten. Positiv ist anzumerken, dass Kontaktmöglichkeiten zu den Teams der Bibliotheken leicht zu finden waren.
Die Online-Coding-Tutorials hingegen haben sehr gut abgeschnitten, da sie den Code für die Abfrage der OAI-PMH-Schnittstelle direkt angeben und dieser online veränderbar und ausführbar ist. Probleme mit den Tutorials sind jedoch aufgetreten, da die von der OAI-PMH-Schnittstelle ausgegebenen Antworten sehr lang sind und durch die Menge an Informationen zu einem Informationsüberflutung (information overload) bei den Nutzenden führen können. Darüber hinaus erschwert die Länge der Antworten das Navigieren innerhalb der Tutorials.
Um tiefere Einblicke in das Nutzerverhalten und die Wirksamkeit der angebotenen Hilfestellungen zu erhalten, wurden die Bibliotheken, deren Angebote zuvor verglichen wurden, um ein Experteninterview gebeten. Erfreulicherweise kam es zu Interviews mit den Damen und Herren des DNB-Labs, ÖNB-Labs und UB-Leipzig-Labs. Nach der Transkription der Interviews wurden diese mittels Mayrings qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet, um das Material so zu reduzieren, dass der wesentliche Inhalt erhalten bleibt und durch Abstraktion ein überschaubareres Corpus geschaffen wird, das ein Abbild des Grundmaterials ist. Die Ergebnisse haben wichtige Einblicke in die Hilfestellungen gegeben, zum einen, dass die Online-Coding-Tutorials der DNB und der ÖNB sich einer guten Nutzung erfreuen. Beide Bibliotheken berichteten jedoch, dass es beim Online-Hosten der Tutorials über Binder zu Performance-Problemen kommt. Teilweise laden die Tutorials sehr lange oder können gar nicht geladen werden. Die drei Bibliotheken erklärten, dass alle bisher angebotenen Hilfestellungen als sinnvoll erachtet und aktiv beworben werden. Zwei der drei Bibliotheken möchten ihr Angebot in Zukunft ausweiten, um eine größere Nutzergruppe zu erreichen.
Auf diesen Ergebnissen aufbauend wurden verschiedene Hilfestellungen für das Stabi-Lab entwickelt. Zum einen wurde ein Online-Coding-Tutorial in Form eines Jupyter-Notebooks erstellt (OAI-Schnittstellen Request, Antwort, Herunterladen der Daten), dass sich mit der Abfrage der OAI-PMH-Schnittstelle befasst. Um den Inhalt so verständlich wie möglich zu gestalten, wurde vor jedem Codeblock ein Erklärtext eingefügt, der beschreibt, wofür der nachstehende Codeblock ist. Darüber hinaus wurden die angezeigten Antworten auf die Anfrage auf 10 beschränkt, um der Informationsüberflutung (information overload) bei den Nutzenden vorzubeugen. Zu guter Letzt wurden neben den Codeblöcken zur Abfrage der Schnittstelle weitere Codeblöcke eingefügt, um die Daten in einen Dataframe einzubinden und herunterzuladen, damit sie lokal weiterverwendet werden können. Das Online-Coding-Tutorial inklusive Erklärvideo wurde auch für die Programmiersprache R (OAI-Schnittstellen Request, Antwort, Herunterladen der Daten mit R) veröffentlicht.
Weiterhin wurden zwei Erklärvideos erstellt, die für YouTube optimiert wurden. Zum einen erklärt eines, wie JupyterLab auf Windows installiert wird (Tutorial: Installation von Jupyterlab auf Windows). Die Open-Source-Software JupyterLab bildet eine stabile Alternative zum Verwenden des Coding-Tutorials, im Gegensatz zu dem Online-Hosten über Binder. Die Installation dieser Software ist jedoch nicht trivial, daher wurde zu diesem Thema ein kurzes Erklärvideo erstellt. Zum anderen wurde ein Erklärvideo zur OAI-PMH-Demoabfrage erstellt (Tutorial: Abfrage der OAI Schnittstelle), in dem die einzelnen Codeblöcke des Online-Coding-Tutorials erläutert werden und an eine andere Fragestellung angepasst werden, um den Nutzenden zu zeigen, wie sie den Code verändern können. Schließlich wurden Änderungen an den Beschreibungstexten der OAI-PMH- und SRU-Schnittstellen im Stabi-Lab vorgeschlagen.
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