Faust-Literatur

Digitale Lektüretipps 26: Statt eines Osterspaziergangs

Ein Beitrag aus unserer Reihe Sie fehlen uns – wir emp-fehlen Ihnen: Digitale Lektüretipps aus den Fachreferaten der SBB

Das in Goethes Osterspaziergang beschriebene „Getümmel“ der nach langem Winter in die endlich ergrünende Natur hinausziehenden Menschen musste in diesem Jahr aufgrund des gebotenen Abstands zueinander zwangsläufig ausbleiben. Dabei enthält die mit „Vor dem Tor“ überschriebene Szene den Moment, in dem Faust dem Teufel in Gestalt eines Pudels erstmals begegnet. Die auferlegte Häuslichkeit wäre eine Gelegenheit, sich dem Thema Faust zu nähern, denn Goethe war nur einer unter Vielen, die dem zur literarischen Figur mutierten Alchemisten oder Quacksalber Georg Johann Faust aus Knittlingen (um 1480 – um 1540) ein Denkmal setzten. Das Projekt Gutenberg bietet eine Anzahl von urheberrechtsfreien Texten, angefangen von Johann Wolfgang von Goethes Faust I und Faust II, aber auch von Christian Dietrich Grabbe, Heinrich Heine, Nikolaus Lenau, Gustav Schwab oder Friedrich Theodor Vischer. Übersetzungen liegen beispielsweise von Lord Byron (Manfred) oder Pedro Calderón (Der wundertätige Magus) vor. Auch das die Volltextbibliothek Zeno bietet eine Fülle an literarischen Bearbeitungen. Weiteren Stoff findet man in der Faust-Sammlung der Weimarer Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek.

Titelblatt der zweiten, erweiterten Ausgabe des "Faust" von J.W. von Goethe (Tübingen 1808). Copyright: bpk.

Titelblatt der zweiten, erweiterten Ausgabe des „Faust“ von J.W. von Goethe (Tübingen 1808). Copyright: bpk.

Man kann sich aber zunächst der historisch bezeugten Person Georg Johann Faust nähern und einen virtuellen Besuch im Faust-Museum seines Geburtsortes Knittlingen unternehmen. „Mit Faust durch die Krise“ heißt das Programm, das derzeit mit zahlreichen kurzen Audio-Einspielungen die Bandbreite der Wirkungen des Fauststoffs vermittelt. Die literarische Verwendung begann schon bald nach seinem Tod als Volksbuch und avancierte durch Christopher Marlowe zum Bühnenstoff. Verbreitet waren die im 17. Jahrhundert aufkommenden Hanswurstiaden und Puppenspiele, zum Beispiel in der späteren Bearbeitung von Karl Simrock. Aber erst Goethes Lebenswerk, das vor wenigen Jahren als historisch-kritische Edition in einer Hybrid-Ausgabe erschienen ist, hat zu einer bis heute anhaltenden Flut an Neubearbeitungen, aber auch Persiflagen geführt.

Wem das Lesen zu mühsam erscheint, kann sich Inszenierungen anschauen. Das anlässlich der Expo 2000 in Hannover durch Peter Stein inszenierte Faust-Projekt zu Goethes Lebenswerk machte seinerzeit Furore, von dem der Theaterkanal Bühnenwelt eine fast fünfstündige Version des ErstenTeils und eine über achtstündige Version des Zweiten Teils anbietet. Die erste filmische Langversion, noch als Stummfilm aus dem Jahr 1926, stammte von Friedrich Wilhelm Murnau.

Mephisto und Faust fliehen nach dem Duell. Kreidelithographie auf Papier von Eugène Delacroix (1828). Copyright: bpk / Kupferstichkabinett, SMB / Dietmar Katz.

Walpurgisnacht-Erscheinung der Margarethe. Lithografie von Eugène Delacroix. Copyright: bpk.

Walpurgisnacht-Erscheinung der Margarethe. Lithografie von Eugène Delacroix. Copyright: bpk.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wem das alles zu viel Zeit in Anspruch nimmt, kann auf Kurzfassungen zurückgreifen. Als freie Interpretation mit Fokus auf den Teufelspakt und die Gretchentragödie sei auf Ottos Fäustchen hingewiesen. Aus Schulprojekten sind dagegen eine nur 2,5-minütige Version unter Verwendung von Schablonen oder die zeichnerisch gekonnt inszenierte Reduktion der Handlung auf 12,5 Minuten entstanden. Zeichnerische Interpretationen einzelner Szenen des Faust wurden bereits von Goethes Zeitgenossen angefertigt und den Drucken beigegeben. Starken Eindruck beim Dichter hatte die Bilderserie von Eugène Delacroix hinterlassen, ob ihn auch der Faust-Zyklus von Udo Lindenberg in seiner typischen Likörelle-Manier erfreut hätte?

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