Digitale Lektüretipps 27: Datenbanken zur bibliometrischen Analyse: ‚Web of Science‘ und ‚Scopus‘
Ein Beitrag aus unserer Reihe Sie fehlen uns – wir emp-fehlen Ihnen: Digitale Lektüretipps aus den Fachreferaten der SBB
Wissen Sie, wie hoch Ihr h-Index liegt?
Wenn Sie noch nie etwas vom h-Index gehört haben, dann haben Sie vermutlich noch nie eine der beiden Datenbanken benutzt, die wir Ihnen heute vorstellen. Aber auch, wenn Sie schon über h-Index, Journalf Impact Factor oder SCImago Journal Rank bestens informiert sind, könnte dieser Beitrag interessant sein. Denn wir wollen Ihnen nicht nur diese beiden Schwergewichte unter den wissenschaftlichen Datenbanken vorstellen, wir wollen Sie auch nach Ihrer Meinung fragen.
Aber zunächst der Reihe nach: Was sind Scopus und Web of Science?
Die beiden Datenbanken versammeln bibliographische Informationen zu internationalen Zeitschriften, in denen im peer-review-Verfahren publiziert wird. Scopus (Elsevier) und Web of Science (Clarivate Analytics) bieten zunächst die Funktionen von traditionellen Datenbanken zur Literaturrecherche an und decken jeweils ein breites Themenspektrum von ab. Sie weisen aber nicht nur die Beiträge dieser Zeitschriften nach, sondern verfolgen auch die Zitierungen innerhalb der Artikel dieser Zeitschriften nach. Grundsätzlich sind medizinisch-naturwissenschaftliche besser als geisteswissenschaftliche Fachbereiche erfasst. Das liegt nicht zuletzt daran, dass bibliometrische Analysen im medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereich schon wesentlich länger betrieben werden, während sie sich in den Geisteswissenschaften noch nicht allgemein durchgesetzt haben.
Weitere Erläuterungen zu Themen in WoS und Scopus
Für Scopus gibt der Content Coverage Guide genaue Auskunft über die abgedeckten Fach- und Themenbereiche, die neben den Sozialwissenschaften mit Psychologie, Wirtschaft und Kunst- und Geisteswissenschaften auch die ‚Physical Sciences‘ wie Chemie, Physik oder Ingenieurswissenschaften, ‚Health Sciences‘ mit Medizin, Pflegewissenschaft oder Zahnmedizin und ‚Life Sciences‘ wie Neurowissenschaften, Pharmazie und Biologie umfassen.
Die Web of Science-Plattform umfasst mehrere Indizes, in denen jeweils Zeitschriften verschiedener Fachbereiche aufgenommen sind. Der Science Citation Index Expanded (SCIE) umfasst Zeitschriften aus über 150 Fachdisziplinen des Bereichs Mathematik, Naturwissenschaften und Wissenschafts- und Technikforschung. Der Social Science Citation Index (SSCI) bietet Zeitschriften zu den Sozialwissenschaften, der Arts and Humanities Citation Index (AHCI) zu den Geisteswissenschaften und im Emerging Sources Citation Index (ESCI) finden sich Zeitschriften aus neu entstehenden wissenschaftlichen Fächern. Beide Datenbanken verzeichnen zusätzlich auch immer mehr Buchpublikationen aus allen Wissenschaftsbereichen.
Die eigentliche Leistung der beiden Datenbanken liegt aber nicht nur im Literaturnachweis von Artikeln, sie bieten die Möglichkeit, bibliometrische Analysen durchzuführen und sich über die wissenschaftliche Bedeutung – den Impact – von Zeitschriften, Themen, Autor*innen oder Institutionen zu informieren. Während Scopus für das gesamte Zeitschriftenportfolio bibliometrische Analysen durchführt, nimmt in Web of Science der Journal Citations Report für die Zeitschriften des SCIE und des SSCI derartige Auswertungen vor. Beide Datenbanken bieten diverse und jeweils verschiedene Metriken an, mit denen Forschende selbst ihren ‚Impact‘ prüfen können – oder anhand derer man sich einen Eindruck von der Bedeutung der Zeitschrift im Fachbereich machen kann. Die wichtigsten Metriken, der Journal Impact Factor in Web of Science und der CiteScore in Scopus, geben an, wie oft Artikel einer Zeitschrift innerhalb der letzten 2-3 Jahre von anderen Zeitschriften zitiert wurden. Der h-Graph bietet eine Bewertung der Häufigkeit der Zitationen eines Autors oder einer Autorin. Aufgrund der unterschiedlichen Datenlage können die konkreten Zahlen sich allerdings unterscheiden.
Der Virologe Dr. Christian Drosten zum Beispiel hat auf Scopus einen h-Index von 73, in Web of Science liegt der Wert ‚nur‘ bei 68. Der nach Scopus meistzitierte Artikel von Herrn Drosten erschien im Jahr 2003 im New England Journal of Medicine, das in Web of Science für das Jahr 2018 einen Journal Citation Reports Impact Factor von 70,67 erhält, was dem Journal den Spitzenplatz in der Kategorie ‚Medicine, general and internal‘ verschafft. In Scopus liegt der CiteScore für 2018 bei 16,1 – dieser Wert wird nach etwas veränderten Regeln gebildet und bedeutet in der Scopus-Datenbank immerhin den zweiten Platz in der Kategorie ‚General Medicine‘.
Scopus vs. Web of Science
Scopus und Web of Science bieten insgesamt einen ähnlichen Dienst an und sind stehen damit in direkter Konkurrenz. An der Staatsbibliothek überlegen wir deswegen immer wieder, wie die Datenbanken im Vergleich miteinander zu bewerten sind. Mögliche Aspekte, die von uns zum Vergleich in Betracht gezogen werden, sind dabei: Welche Datenbank passt besser ins Profil der Staatsbibliothek bzw. welche bildet das Fächerprofil der Staatsbibliothek besser ab? Welche wird stärker genutzt, welche bietet die bessere Usability? Wie ist die Aussagekraft der Metriken, die die Datenbank anbietet, zu bewerten? Der Preis ist natürlich auch ein Faktor.
Ihre Meinung ist gefragt.
Die Einschätzung unserer Nutzerinnen und Nutzer ist für uns dabei natürlich auch von größtem Wert. Deswegen fragen wir Sie heute ganz direkt nach Ihrer Meinung: Wie bewerten Sie die Unterschiede zwischen den beiden Datenbanken? Nutzen Sie beide oder eine der Datenbanken? Wozu nutzen Sie die Datenbanken, was recherchieren Sie damit und wo sehen Sie die Grenzen der Datenbanken? Wo sehen Sie die jeweiligen Vorteile?
Guten Tag,
nun bin ich vielleicht eine Exotin hier, denn ich selber forsche nicht und publliziere nicht. Dafür befasse ich mich mit Recherchemöglichkeiten aller Art.
Was mich an den Datenbanken WoS und Scopus irritiert: Es sind verlgsgebundene, privatwirtschaftliche Unternehmungen. In Ihrem Text geben Sie ein Beispiel für sehr untscheidliche h-Index-Werte eines Autors – wie sinnvoll sind solche EInordnungen denn dann? Werden die hauseigenen Journals anders berücksichtigt oder nur sie wirklich bedacht?
Und: Kann ein solches Unternehmen nicht einfach diesen „Laden“ dichtmachen und alle Informationen sind dann unzugännglich, die hier gesammelt wurden?
Inwieweit ist ein solches Angebot in Hinblick auf Recherche (!) verlässlicher als Google Scholar oder Microsoft Academic?
Sie merken schon – ich bin eher ein Fan von institutionengebundenen Informationsquellen 😉 – aber ich bin ja auch keine Wissenschaftlerin.
Freundliche Grüße
Heike Baller
Liebe Frau Baller,
vielen Dank für die spannende Frage. Zunächst gebe ich Ihnen völlig Recht: beide hier vorgestellten Datenbanken sind privatwirtschaftliche Angebote und damit bestimmten Einschränkungen unterworfen. So sind Fragen der Langzeitverfügbarkeit, der Grundlagen und Transparenz der genutzten Daten und Verlässlichkeit auch an die wirtschaftlichen Entscheidungen der jeweiligen Unternehmen gebunden. Ein Beispiel für die Nachteile ist die von Ihnen angesprochene eingeschränkte Vergleichbarkeit der Metriken zwischen den verschiedenen Datenbanken. Andererseits sind sowohl Web of Science als auch Scopus um Transparenz zu den Datengrundlagen bemüht: Man kann sich Listen der berücksichtigten Zeitschriften herunterladen (zum Beispiel hier für Scopus: https://www.elsevier.com/solutions/scopus/how-scopus-works/content) und es gibt ausführliche Dokumentationen zu den gebildeten Metriken. Hier läge auch ein wichtiger Vorteil gegenüber den ebenfalls privatwirtschaftlichen Angeboten Google Scholar und Microsoft Academic (wobei Microsoft Academic Ende 2021 eingestellt werden soll).
Für die wissenschaftliche Literaturrecherche, von der man eine große Zuverlässigkeit erwartet, würden wir auch Fachdatenbanken und Recherchemöglichkeiten von Bibliotheken empfehlen. Ihre Vorliebe für institutionsgebundene Recherchemöglichkeiten bzw. Informationsquellen möchten wir also ausdrücklich unterstützen! Allerdings bieten Web of Science und Scopus darüber hinaus Angebote, die von reinen Literaturrecherche-Angeboten nicht bedient werden, nämlich Auskunft über den „Impact“ von Aufsätzen, Forschenden und Forschungseinrichtungen. Insofern verstehen wir diese Zitationsdatenbanken auch nicht als Ersatz der einschlägigen Recherchemöglichkeiten, sondern als spezifisches Zusatzangebot, das im heutigen Forschungsbetrieb auch in den Geisteswissenschaften an Bedeutung gewinnt.
Mit freundlichen Grüßen
Hedwig Suwelack