Künstliche Intelligenz in Kunst und Kultur

Ein Beitrag aus unserer Reihe Künstliche Intelligenz zum Wissenschaftsjahr 2019

Künstliche Intelligenz (KI) und Kunst sowie Kultur sind schon seit langer Zeit untrennbar miteinander verbunden: Literarische Werke wie E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann oder Mary W. Shelleys Frankenstein rekurrierten schon vor über 200 Jahren auf den Topos künstlich belebter und – mehr oder weniger – intelligenter Wesen. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich das Verhältnis von KI und Kunst nochmals verändert. In großen Blockbustern wie Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum wird Künstliche Intelligenz in einer noch nie zuvor dagewesenen Art und Weise ins Bild gesetzt. Künstliche Intelligenz wird darüber hinaus insbesondere in den Geistes- und Kulturwissenschaften zunehmend als Werkzeug zur Erschließung von Kunst genutzt und Künstliche Intelligenz ist nicht zuletzt selbst zu einer Quelle von Kunstwerken geworden.

Künstliche Intelligenz im Film

„Morpheus: What is real? How do you define ‚real‘?
If you’re talking about what you can feel, what you can smell, what you can taste and see,
then ‚real‘ is simply electrical signals interpreted by your brain.“
(Matrix, 1999, Quelle: https://www.imdb.com/title/tt0133093/quotes/qt0324251)

Filmszene aus Matrix, Bild: MATRIX, THE (1999). – Quelle: Britannica ImageQuest @ ROADSHOW FILM LIMITED / Album / Universal Images Group

Nicht erst seit dem überraschenden Kinoerfolg von Matrix ist KI ein gängiger Topos im Film. Bereits im Stummfilmklassiker Metropolis von 1927 wird der Roboter Maria zur Filmikone schlechthin und prägend für die Filmgeschichte. Mit KI ausgestattete Roboter tauchen danach auch im Tonfilm regelmäßig auf. Immer wieder stellt sich dabei die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine wie zum Beispiel Ridley Scotts stilbildendes Werk Blade Runner aus dem Jahr 1982 zeigt. Lange Zeit dominierten dabei Dystopien, in der Künstliche Intelligenz die Menschheit bedroht (2001: A Space Odyssey, 1968; Terminator, 1984) oder gar – wie in der Matrix-Trilogie – bereits die Macht über die Menschen gewonnen hat. In neueren filmischen Auseinandersetzungen (A.I. – Künstliche Intelligenz, 2001; I, Robot, 2004; WALL-E, 2008; Her, 2013; Ex Machina, 2014) wird der KI zunehmend ein eigenes Bewusstsein zugesprochen und es werden mitunter große Fragen verhandelt, wie etwa welche Rechte eine KI eigentlich hat.

Die Darstellung von Künstlicher Intelligenz im Film gibt damit Aufschluss über die aktuelle gesellschaftliche Diskussion über KI. Gleichzeitig beeinflussen Filme und andere Kunstwerke diese Diskussionen, indem sie die Vorstellungen über KI formen und verändern. Am Ende bleibt die Darstellung von KI aber vor allem eines: Eine unterhaltende Fiktion.

Künstliche Intelligenz als Werkzeug der Geistes- und Kulturwissenschaften

Inzwischen lässt sich gut beobachten, dass KI zunehmend auch von Kultureinrichtungen wie Museen eingesetzt wird, um die eigenen Bestände – meist Fotosammlungen – zu erschließen. So nutzte beispielsweise das MoMA gemeinsam mit dem Google Arts & Culture Lab Machine Learning, um Kunstwerke auf Ausstellungsfotografien zu identifizieren und mit den Kunstwerken zu verknüpfen: Ein Algorithmus suchte in über 30.000 Ausstellungsfotografien in Abgleich mit den 65.000 Bildern der Online-Sammlung nach passenden Treffern.  20.000 Matches kamen dabei heraus und bieten nun den Besucher*innen der Online-Sammlungen umfassende Informationen nicht nur zum Objekt, sondern auch zum jeweiligen Kontext, in dem das Kunstwerk über die Jahre hinweg ausgestellt wurde (hier am Beispiel von Paul Cezannes The Bather https://www.moma.org/collection/works/78296?).

Auch das Metropolitan Museum of Art möchte seine digitalen Bestände durch die Zuhilfenahme von KI weltweit noch stärker vernetzen. Dafür sind nicht nur sämtliche Daten frei verfügbar, sondern es wurden im Rahmen eines Hackathons in Zusammenarbeit mit Microsoft und dem MIT erste KI-Prototypen entwickelt. Der Prototyp Storyteller zeigt beispielsweise passende Gemälde aus der Met Sammlung zu einer gesprochenen Geschichte oder einem Gespräch an. Mit dem Prototyp My Life, My Met werden Instagram-Fotos von Mahlzeiten mit passenden Gemälden aus der Sammlung verknüpft.

Doch nicht nur in Museen wird KI verwendet: Besonders große digitale Bildbestände eignen sich für den Einsatz von KI. So ist das Fotoarchiv der New York Times mit geschätzten 5 bis 7 Millionen Fotos ein enormer historischer Schatz mit großem Wert für die Zeitgeschichte. Sämtliche Bilder werden aktuell digitalisiert und mittels KI-Tools von Google analysiert: Gedruckte und handgeschriebene Texte (meist mit Informationen zum Aufnahmedatum, Aufnahmeort und Veröffentlichungshinweisen) auf beiden Seiten des Fotos werden erkannt und extrahiert. Außerdem sorgt die Bilderkennung für eine Kategorisierung und damit für eine einfachere Auffindbarkeit. KI sorgt in diesem Fall also erst für einen digitalen Zugang zum historischen Bildarchiv.

Künstliche Intelligenz als Quelle von Kunst

The Next Rembrandt by ING Group (CC BY 2.0), via flickr; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/; Quelle: https://www.flickr.com/photos/inggroup/25681990573/in/photostream/

Die wohl spannendsten Entwicklungen im Bereich Kunst und KI sind sicherlich die, in denen mit Hilfe von KI selbst Kunst erschaffen wird. War und ist Kunst lange mit einer menschlichen schöpferischen Tätigkeit verbunden, werfen Kunstwerke – erschaffen von KI – nicht nur rechtliche Fragen zum Urheberrecht auf. (Vgl. Die Maschine als Urheber? Gastbeitrag von Dr. Robert Heine und Julia Schafdecker) Vielmehr werden ganz grundsätzliche gesellschaftliche Annahmen rund um das Verhältnis von Original und Reproduktion in Frage gestellt. Dies zeigt beispielsweise das Projekt The Next Rembrandt. Hier hat KI einen scheinbar echten Rembrandt hervorgebracht. Über Trainingsdaten in Form von echten Rembrandt-Porträts und Trainings in der Maltechnik Rembrandts (inkl. Berechnung der Pinselstrichstruktur) konnte ein neuer „Rembrandt“ im 3D-Druck erschaffen werden.

Auch das AICAN (Artificial Intelligence Creative Adversarial Network) arbeitet mit KI. Auf Basis unzähliger Trainingsbildern – insgesamt über 100.000 Kunstwerke der westlichen Kunst aus über fünf Jahrhunderten –   wurde die Software dazu gebracht, selbstständig kreativ zu werden und eigene Kunstwerke (Digitaldrucke auf Aluminium oder Leinwand) zu erschaffen. AICAN ist eine Softwareinitiative, die von Ahmed Elgammal, Professor für Informatik und Gründungsdirektor des Art and Artificial Intelligence Lab der Rutgers Universität, ins Leben gerufen wurde.

Der Berliner Künstler Roman Lipski arbeitet ebenfalls mit einer KI namens A.I.R., entwickelt von Florian Dohmann, an seinen Kunstwerken. KI funktioniert hier als Inspirationsquelle: Die KI analysiert seine bisherigen Bilder, setzt diese neu zusammen und macht so dem Kunstschaffenden neue Vorschläge. Der Münchner Künstler Mario Klingemann nutzt hingegen für seine so genannten Neurographien Deep-Learning-Algorithmen, mit denen er halb-autonome Bilder und Filme entstehen lässt.  Seine Werke wurden schon im Museum of Modern Art New York, Metropolitan Museum of Art New York oder dem Centre Pompidou Paris gezeigt.

Obvious „Edmond de Belamy“, Bild: Christie’s, Quelle: https://www.christies.com/img/LotImages/2018/NYR/2018_NYR_16388_0363_000 (edmond_de_belamy_from_la_famille_de_belamy).jpg, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73886038

Dass KI-Kunst schon längst den etablierten Kunstmarkt erreicht hat, wurde spätestens 2018 deutlich: Beim Aktionshaus Christie’s wurde das Porträt „Edmond de Belamy“ für 432.500 Dollar versteigert. Das Porträt wurde mittels KI erschaffen. Das französische Künstlerkollektiv Obvious hatte die Idee dazu und trainierte die KI mit 15.000 klassischen Porträts vom 14. bis zum 20. Jahrhundert. Signiert wurde das Bild übrigens mit einem Ausschnitt aus dem Algorithmus.

Ob Hype, Zukunftsvision oder Marketing-Aktion: Die Beispiele zeigen, dass KI längst in Kunst und Kultur angekommen ist. Ob KI die Kunst- und Kulturlandschaft in Zukunft dominieren wird, bleibt abzuwarten. Klar ist aber, dass KI auch diesen Lebensbereich beeinflussen wird. Fragen nach Kunst und Kreativität im Zusammenspiel mit eigener Subjektivität sowie neue Konzepte der Autorschaft, die die Wahrnehmung und die Produktion von Kunst beeinflussen, werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Diskurs über Künstliche Intelligenz spielen.

 

Referenzen:

Aufzeichnung: Digitaler Salon – Zahlen, die malen, Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG),  verfügbar unter: https://youtu.be/t74HlOVFW-I

Julian Nida-Rümelin und Nathalie Weidenfeld: Digitaler Humanismus: Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, München: Piper 2018. http://stabikat.de/DB=1/XMLPRS=N/PPN?PPN=1019191635

Fiorella Battaglia und Nathalie Weidenfeld: Roboethics in film: [Workshop „RoboEthics in Film“ held in Munich on the 28th and 29th of February 2014], Pisa: Pisa University Press 2014. http://stabikat.de/DB=1/XMLPRS=N/PPN?PPN=799896292

Regelmäßige Informationen über KI in Kunst und Kultur: https://kulturimweb.net/

 

Vorschau: Im nächsten Beitrag stellen wir unser neues Projekt QURATOR vor – dabei geht es um Künstliche Intelligenz für die Wissensarbeit!

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