Messbuch kehrt nach Nowgorod zurück
Ein vollständig erhaltenes Messbuch der orthodoxen Kirche aus dem 17. Jahrhundert kehrt zurück nach Russland. Es befand sich bislang in der Staatsbibliothek zu Berlin und wurde hier von Provenienzforschern zweifelsfrei als Kriegsverlust des Museums Nowgorod identifiziert.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und deutscher Sprecher des Deutsch-Russischen Museumsdialogs, DRMD, und Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin, übergaben das 1651 in Moskau verlegte Werk heute an Natalja Grigorjewa, Direktorin des Staatlichen Museums Nowgorod, und an Michail Piotrowski, Generaldirektor der Staatlichen Eremitage St. Petersburg und russischer Sprecher des DRMD.
Hermann Parzinger sieht in der Rückgabe viel mehr als nur ein Einzelwerk: „Die Provenienzforschung ist auf allen Ebenen zu einem zentralen Aufgabenfeld in den Sammlungen der Museen, Bibliothek und Archive geworden. Mit ihrer Hilfe war auch die Zuordnung dieses herausragenden Messbuches aus Nowgorod möglich. Die Rückgabe unterstreicht den vertrauensvollen und partnerschaftlichen Umgang in den deutschrussischen Kulturbeziehungen. Wenn auch die großen politischen Fragestellungen der kriegsbedingt verlagerten Kulturgüter weiterhin einer Lösung harren, so entwickeln sich die deutsch-russischen Fachkontakte kontinuierlich weiter und sind so intensiv wie selten zuvor. Der Einzelfund aus Nowgorod freut mich auch persönlich sehr, da bekanntermaßen Nowgorod erhebliche Kriegsverluste hatte und keinerlei Aufzeichnungen dazu vorhanden sind.“
Die Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Kulturstaatsministerin Monika Grütters begrüßt die Rückgabe des Messbuchs sehr: „Die Übergabe des bedeutenden Messbuchs an das Museum in Nowgorod ist ein Erfolg der Provenienzforschung und eine Chance für die Fortsetzung des deutsch-russischen Kulturgüterdialogs. Wir haben vielfältige Kontakte deutscher und russischer Fachleute im Kulturbereich. Ich schätze diese sehr, und sie sollten weiter ausgebaut werden. Dies ist wichtig, gibt es doch im Bereich der Kulturgüter den noch immer offenen, vor dem geschichtlichen Hintergrund auch schmerzlichen Wunsch der Deutschen und der Russen nach Rückkehr ihrer jeweils noch im Ausland befindlichen Kulturgüter. Gerade in einer Zeit der Globalisierung ist sich die Bevölkerung eines Landes der identitätsstiftenden Wirkung von Kultur besonders bewusst. Deshalb haben sich Deutschland und Russland im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag von 1990 und im deutsch-russischen Kulturabkommen von 1992 völkerrechtlich verbindlich geeinigt, verschollene oder unrechtmäßig verbrachte Kunstschätze/Kulturgüter, die sich auf ihrem Territorium befinden, an den Eigentümer oder seinen Rechtsnachfolger zurückzugeben.“
Im Messbuch findet sich ein handschriftlicher Eintrag, der den Druck der Bibliothek des Klosters Antonius des Römers bei Nowgorod zuordnet. Aus der bedeutenden Bibliothek dieses Klosters, eines der ältesten im nordwestlichen Russland, sind heute nicht mehr als etwa 15 Bücher erhalten geblieben. Außerdem ist ein Vorkriegsstempel der Wissenschaftlichen Bibliothek des Nowgoroder Museums vorhanden. Die russische Stadt war von 1941 bis 1944 von deutschen Truppen besetzt, die auch Kulturgüter abtransportieren ließen, darunter über 30.000 Bücher. Wohin die Werke kamen, ist nur zum Teil bekannt. Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg plante in Riga eine „Ostbibliothek“ aufzubauen, vermutlich sollte das Messbuch dort integriert werden. Wie es schließlich in die Ost-Berliner Staatsbibliothek gelangte, lässt sich heute nicht rekonstruieren. Während der systematischen Prüfungen verdächtiger Bestände, die die Staatsbibliothek zu Berlin seit einigen Jahren vornimmt, wurde das Messbuch als Eigentum des Nowgoroder Museums identifiziert.
honorarfreie Pressebilder zum Download:
Pressebild 1 – Auf der ersten und letzten Seite des Messbuchs
findet sich ein schwer lesbarer Stempel des Museums in Nowgorod,
Pressebild 2 Vorsatzblatt mit handschriftlichen Eintragungen
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