Digitale Lektüretipps 49: Der „Krünitz“ – Das umfangreichste deutsche Lexikon der Goethezeit

Ein Beitrag aus unserer Reihe Sie fehlen uns – wir emp-fehlen Ihnen: Digitale Lektüretipps aus den Fachreferaten der SBB

Kennen Sie den „Krünitz“? Nein? Dann stellen wir ihnen das umfangreichste deutsche Lexikon der Goethezeit und die Person Johann Georg Krünitz vor:

OEKONOMISCHE ENCYCLOPÄDIE

Oeconomische Encyclopädie. Th. 1 (1773), Titelblatt, Signatur: A 9181-1

Oeconomische Encyclopädie. Th. 1 (1773), Titelblatt, Signatur: A 9181-1

Viele der im Zeitalter der Aufklärung entstandenen Lexika – wie die von Diderot und d’Alembert herausgegebene Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers und die Encyclopaedia Britannica – sind vertraute Nachschlagewerke (auch online). Nur wenigen bekannt hingegen ist die von dem Berliner Arzt Johann Georg Krünitz begründete Oeconomische Encyclopädie, mit der die Bewegung der Enzyklopädisten in Deutschland ihren umfassendsten Widerhall fand.

Die Online-Version der Oeconomischen Encyclopädie ist das Ergebnis eines von der DFG geförderten Projektes, das an der Universitätsbibliothek Trier realisiert wurde. Damit sind die von 1773 bis 1858 erschienenen 242 Bände in der elektronischen Volltextversion recherchierbar.

1773 erschien bei der Paulischen Verlagsbuchhandlung zu Berlin der erste Band der Oeconomischen Encyclopädie, oder allgemeines System der Land- Haus- und Staats-Wirthschaft. Damals war nicht abzusehen, zu welch umfangreichem Werk sich das Lexikon entwickeln sollte. Geplant war von Krünitz zunächst lediglich eine mit Anmerkungen und Literaturhinweisen versehene Übersetzung der 1770/71 zu Yverdon veröffentlichten sechzehnbändigen Encyclopédie oeconomique, ou systéme général. Schon in den ersten drei Bänden annotierte er mehr als die Hälfte der Artikel, dann löste er sich völlig von der Vorlage und setzte das Werk eigenständig fort – „Der Krünitz“ entstand. Die Artikel bezogen neben der Zoologie auch die Medizin mit ein, behandelten rechtliche, philosophische, volkskundliche, musisch-künstlerische und historische Fragen. Die Enzyklopädie wurde mit zahlreichen aus anderen Werken übernommenen Kupfertafeln ausgestattet und fand einen festen Abnehmerkreis. Vornehmlich Pfarrer, Grundbesitzer, Kanzleien und Leihbibliotheken bezogen sie regelmäßig.

Johann Georg Krünitz starb 1796, sein Hauptwerk unvollendet zurücklassend. Krünitz‘ Nachfolger sahen sich vor der fast unlösbaren Aufgabe, die sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert immer schneller vollziehende Entwicklung von Wissenschaft und Technik zusammenzufassen. Der Umfang der Artikel nahm zu, viele der Jahrzehnte zuvor geschriebenen Artikel waren völlig veraltet. Das Problem versuchten die Autoren zu lösen, indem sie Themen früherer Bände unter neuen Stichworten wieder aufgriffen (unter dem Begriff „Vis electrica“ wurde die „Elektricität“ erneut abgehandelt). Erst 1858 wird die Enzyklopädie mit dem 242. Band vollendet. Im Schlusswort schreibt Ernst Theodor Litfaß, seit 1845 Verleger des Lexikons:

„Mit dem gegenwärtigen 242. Bande schließt endlich eines der riesenhaftesten Werke, welches vielleicht in keiner Literatur seines Gleichen finden dürfte; denn seit dem Erscheinen des ersten Bandes sind bereits 85 Jahre vergangen, und die Empfänger des letzten Bandes gehören nun einer ganz andern Welt an, in welche die Erinnerungen aus jener fernen Zeit fast nur sagenhaft herüberklingen. In dieser Beziehung hat das Werk selbst einen historischen Werth, es zeigt in seinem Verlaufe den ganzen Entwicklungsgang, welchen die Wissenschaft, namentlich die chemische, technologische und ökonomische seit Friedrich dem Großen gewonnen hat.“

JOHANN GEORG KRÜNITZ – Berliner Arzt und Schriftsteller

Johann Georg Krünitz / Oeconomische Encyclopädie,. Th. 13. Berlin 1778, Frontispiz, Signatur: A 9181-13

Johann Georg Krünitz / Oeconomische Encyclopädie,. Th. 13. Berlin 1778, Frontispiz, Signatur: A 9181-13

Johann Georg Krünitz wurde am 28. März 1728 als Sohn des Kaufmanns Georg Christoph Krünitz und seiner Frau Dorothea Catharina in Berlin geboren. Nach neunjährigem Schulbesuch des Gymnasiums zum Grauen Kloster – eine für das 18. Jahrhundert ausgiebige Schulzeit – erwarb der junge Krünitz medizinische, chirurgische und pharmazeutische Kenntnisse am Collegium medico-chirurgicum. Die vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. 1724 als Erweiterung des Anatomischen Theaters gestiftete Einrichtung bildete vornehmlich Militärchirurgen aus, stand aber auch Studenten offen, die eine zivile Laufbahn anstrebten. Eine Universität besaß Berlin noch nicht, und so verließ der Neunzehnjährige nach drei Jahren am Collegium seine Vaterstadt, um Medizin und Naturwissenschaften zu studieren und einen akademischen Grad zu erwerben. Zunächst wandte er sich nach Göttingen, wo ihn Albrecht von Haller an der wenige Jahre zuvor gegründeten Universität einschrieb, ging dann nach Halle und schließlich Frankfurt an der Oder. 1749 schloss er das Studium mit der Promotion zum Doktor der Medizin ab. Nach dem Studium ließ sich Krünitz in Frankfurt als Arzt nieder, hielt Privatvorlesungen über Osteologie und begann mit Beiträgen für die Berliner wöchentlichen Berichte sein äußerst ergiebiges Wirken als Autor, Herausgeber und Übersetzer wissenschaftlicher Werke. 1752 heiratete er die Kaufmannstochter Anna Sophie Lehmann, die ihm sechs Kinder gebar, von denen nur Georg Friedrich den Vater überlebte. Auch nach seiner Rückkehr nach Berlin im Jahre 1759 folgte Krünitz dem Anspruch, sowohl als Arzt seinen Patienten zu dienen als auch durch die Verbreitung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Förderung des Allgemeinwohls beizutragen. 1776 zwang ihn jedoch eine Angina pectoris mit Brechanfällen, die Praxis zu schließen. In den Ruhestand begab er sich aber trotz der Krankheit nicht, sondern widmete seine ganze Schaffenskraft fortan der schriftstellerischen Tätigkeit, vor allem der Arbeit an der Enzyklopädie. 1786, sechs Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau, verehelichte sich Krünitz mit Charlotte Wilhelmine Halle, Tochter des am Kadettenkorps lehrenden Geschichtsprofessors Johann Samuel Halle, aus dessen ökonomischen Schriften Krünitz manch Anregung schöpfte. Charlottes Bruder, der Reproduktionsstecher Johann Samuel Ludwig Halle, fertigte viele Kupferstiche für das Lexikon. Am 20. Dezember 1796 starb Johann Georg Krünitz im Alter von 68 Jahren inmitten seiner Arbeit am Artikel „Leiche“ für den 73. Band seiner Enzyklopädie.

Wie vielen Patienten der Arzt Krünitz zu Wohlergehen verhalf, ist nicht überliefert; das hinterlassene Werk des Schriftstellers Krünitz aber ist ein bleibendes Zeugnis der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts.

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Zitiert nach: „… und die Lust und Trieb zu arbeiten unbeschreiblich… “ : Johann Georg Krünitz und seine Oekonomisch – technologische Encyklopädie / Ausstellung aus Anlaß des 200. Todestages von Johann Georg Krünitz. Staatsbibliothek zu Berlin – PK. [ Katalog : Dagmar Bouziane ; Heike Krems ; Ruth Weiss ]. – Wiesbaden : Reichert, 1996

 

 

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