Die Geschichte der Berliner Beethoven-Sammlung

Ludwig van Beethoven wurde im Dezember 1770 in Bonn geboren, die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Wien. Nach seinem Tod am 26. März 1827 in Wien kam sein kompositorisches Lebenswerk zur Versteigerung. Die wichtigsten Käufer waren große Wiener Verlagshäuser und private Sammler. Durch Ankäufe und Schenkungen gelangten zwischen 1841 und 1908 ein großer Teil des Nachlasses in die heutige Staatsbibliothek zu Berlin.

 1841: das erste Beethoven-Autograph

1841 erwarb die Königliche Bibliothek, heute Staatsbibliothek zu Berlin, die umfangreiche Sammlung des Musikers und Sammlers Georg Poelchau (1773–1836) und mit dieser das erste Berliner Beethoven-Autograph, das Kyrie aus der Missa solemnis op. 123.

1846: 9. Sinfonie, Fidelio und zahlreiche weitere Notenhandschriften und Lebensdokumente

Nach dem Tod des Komponisten nahm der als Beethovens »Sekretär« in die Musikgeschichte eingegangene Musiker Anton Schindler (1795–1864) zahlreiche Dokumente, Erinnerungsstücke und Notenhandschriften an sich. Darunter waren die Urschrift der Oper Fidelio, von der 9. Sinfonie op. 125 die ersten drei Sätze sowie ein Teil des vierten Satzes, das Streichquartett op. 59,2, ein umfangreicher Band mit Volksliedbearbeitungen, sodann Skizzenbücher, Briefe von und an Beethoven sowie die Konversationshefte, die dem ertaubten Komponisten zur »Unterhaltung« mit seinen Gästen dienten. 1843 bot Schindler der Königlichen Bibliothek zu Berlin die Sammlung an. Nach mehrjährigen Verhandlungen ließ König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen übermitteln, dass er den Nachlass für 2.000 Taler und zusätzlich eine jährlich auszuzahlende Leibrente von 400 Talern erwerben werde. 1846 trafen die Beethoven-Autographe in Berlin ein.

1859: Fischhof-Sammlung

Über den Berliner Musikalienhändler und Verleger Julius Friedländer (1827–1882) erwarb die Königliche Bibliothek 1859 für 2.800 Taler die Autographen-Sammlung des Wiener Pianisten und Musikprofessors Joseph Fischhof (1804–1857). Neben einer großen Anzahl von Skizzenblättern gelangte so auch das sogenannte Fischhof-Manuskript in die Bibliothek, welches der Forschung als wichtige Quelle für die Biographie Ludwig van Beethovens dient.

1861: Der Nachlass Ludwig Landsberg

Aus dem Nachlass des zuletzt in Rom lebenden Musikers und Handschriftensammlers Ludwig Landsberg (1807–1858) konnten Skizzenbücher mit einem Umfang von mehr als tausend Seiten sowie Briefe erworben werden.

1863: Das Widmungsexemplar der 9. Sinfonie

Bereits 1826 hatte Ludwig van Beethoven Friedrich Wilhelm III. von Preußen eine Abschrift seiner letzten Sinfonie geschenkt. Die 190 Blatt umfassende Abschrift mit autographem Titelblatt übergab der König seiner Bibliothek.

1868/1874/1875: Schenkungen

Der aus Breslau stammende Bankier Ludwig Guttentag (1801–1881) übergab 1868 der Bibliothek u. a. die Kantatenkomposition Der glorreiche Augenblick op. 136, das Festspiel Die Ruinen von Athen op. 133 sowie die Klavierkonzerte Nr. 1 (op. 15), Nr. 2 (op. 19), Nr. 3 (op. 37) und Nr. 5 (op. 73).

Guido Richard Wagener (1822–1896), ein Marburger Anatomieprofessor, überließ der Bibliothek 1874 einige Beethoven-Handschriften aus seiner Sammlung, darunter die Violinsonate op. 30,1, die Streichquartette op. 130 und Teile von op. 135, sodann Bearbeitungen irischer und walisischer Lieder, ein Skizzenbuch sowie Briefe des Komponisten.

Als wertvolles Geschenk erhielt die Bibliothek 1875 von dem Berliner Kattunfabrikanten Joseph Wolff die Partitur der 8. Sinfonie op. 93.

1879: Nachlässe Friedrich August Grasnick und Aloys Fuchs

Gegen eine Spende von 4.000 Mark zur Unterstützung bedürftiger Musikstudierender überließ Auguste Wilhelmine Vatke der Bibliothek 1879 den Nachlass ihres Onkels, des Berliner Sammlers Friedrich August Grasnick (1798–1877). Darin waren so bedeutende Autographe von Beethoven wie der 6. Satz aus dem Streichquartett op. 130, Skizzenbücher und Briefe.

In der Sammlung Grasnick war auch ein Großteil des Nachlasses des berühmten Wiener Musiksammlers Aloys Fuchs (1799–1853) enthalten, den Grasnick nach dessen Tod erworben hatte. Fuchs galt als Experte für Musikhandschriften. Er hatte Beethoven persönlich kennengelernt, als er als junger Sänger 1811 bei der Aufführung der C-Dur-Messe op. 86 unter dessen Leitung mitwirkte.

1880: Der Brief an die Unsterbliche Geliebte

Im Jahr 1880 gelang es, den Rest der Sammlung Anton Schindlers zu erwerben, darunter Briefe, Dokumente und Erinnerungsstücke, die dieser 1846 zurückbehalten hatte. Zwischenzeitlich war die Sammlung an den Porzellanfabrikanten August Nowotny bei Karlsbad verkauft worden. Spitzenstück dieser Sammlung war der berühmte Brief an die Unsterbliche Geliebte, deren Identität bis heute nicht geklärt ist.

1901: Autographen-Sammlung von Domenico Artaria

Die Musikaliensammlung des Wiener Musikverlegers Domenico Artaria (17751842) kam mithilfe des Bonner Musikwissenschaftlers Erich Prieger (1849–1913) nach Berlin. Der Kaufpreis von 200.000 Mark wurde zunächst von Prieger vorgestreckt, der preußische Staat muss diese hohe Summe erst bereitstellen. Zur Sammlung Artaria gehörten etwa 2.000 Blatt autographes Material von Ludwig van Beethoven, darunter Teile der 9. Sinfonie op. 125 sowie der Missa solemnis op. 123, außerdem Blätter zu Streichquartetten, Kammermusik und Skizzenbüchern.

1908: Abschluss der großen Beethoven-Erwerbungen

Durch die mäzenatische Stiftung des Berliner Bankiers Ernst von Mendelssohn-Bartholdy (1846–1909) kamen die Sinfonien Nr. 4., 5. und 7., das Leonoren-Skizzenbuch, die Ouvertüre sowie das 1. und 2. Finale zur Oper Fidelio, sechs Streichquartette, das Septett op. 20, das Streichquintett op. 29, das Trio op. 97 und mehrere Skizzenbücher in die Bibliothek. Mit dieser Stiftung war die Beethoven-Sammlung in Berlin zur weltweit größten Sammlung ihrer Art angewachsen.

1941: Teilung der Sammlung

In der Königlichen Bibliothek hatten die Bestände den Ersten Weltkrieg unbeschadet überstanden. Doch der Zweite Weltkrieg und die Verlagerung von wertvollen Kulturgütern aus der Hauptstadt seit 1941 an vermeintlich sichere Orte des Landes führten dazu, dass auch die Beethoven-Sammlung der inzwischen Preußischen Staatsbibliothek geteilt wurde. Nach dem Krieg lagen die Verlagerungsorte in unterschiedlichen Besatzungszonen auf deutschem Boden sowie aufgrund neuer Grenzziehung auf polnischem Staatsgebiet. Die Sammlungsteile in den amerikanischen und der französischen Besatzungszonen wurden in den 1960er Jahren nach Berlin (West) in die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz überführt. Teile der Sammlung, die sich in der sowjetischen Besatzungszone und somit ab 1949 auf dem Staatsgebiet der DDR befanden, kehrten nach Berlin (Ost) in das Stammhaus der Bibliothek Unter den Linden zurück. Alle zum Schutz vor Zerstörung nach Schlesien in das Schloss Fürstenstein (heute Książ) und später ins Kloster Grüssau (heute Krzeszów) verlagerten Bestände gelangten nach 1945 nach Krakau an die Biblioteka Jagiellońska.

1951: Diebstahl der Konversationshefte

Der Kalte Krieg riss eine weitere Lücke in die Beethoven-Sammlung, die erst Jahre später wieder geschlossen werden konnte: Der damalige Leiter der Musikabteilung (Ost), Joachim Krüger-Riebow (1910– nach 1961), ein Hochstapler und mutmaßlicher Doppelagent, nutzte seine Position, um wertvolle Autographe – darunter alle damals vorhandenen 137 Konversationshefte – zu stehlen, er übergab die Hefte an das Beethoven-Haus in Bonn. Nach langen Verhandlungen zwischen Bonn und der DDR, die mit Unterstützung der Akademien der Künste in den beiden Teilen Berlins geführt wurden, kamen die Konversationshefte im Mai 1961 wieder in die Berliner Sammlung Unter den Linden.

1977: Zimelien kommen aus Krakau zurück

Unter spektakulären Umständen kam das Hauptautograph der 9. Sinfonie op. 125 nach Berlin (Ost) zurück: Die polnische Regierung übergab anlässlich eines Staatsbesuches der DDR-Regierung wertvolle Autographe von Bach, Mozart und Beethoven, darunter das Hauptautograph der 9. Sinfonie und das 3. Klavierkonzert. Die übrigen nach Krakau gelangten Berliner Autographe – etwa die 7. Sinfonie Ludwig van Beethovens- werden bis heute in der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau verwahrt und sind der Forschung zugänglich.

1992: Staatsbibliotheken Ost und West vereint

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung fanden auch die wegen ihrer Auslagerungen nach dem Krieg auf die beiden deutschen Staaten verteilten Bestände des Beethoven-Nachlasses wieder zusammen. Beide Berliner Staatsbibliotheken wurden 1992 zur Staatsbibliothek zu Berlin unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz organisatorisch vereinigt. Seit 1997 sind die Bestände der Musikabteilung alle wieder im Gebäude der Staatsbibliothek Unter den Linden vereint, seit 2013 lagern sie in neu errichteten Tresormagazinen unter besten konservatorischen Bedingungen.

Heute: Beethoven bewahren, digitalisieren und weiter sammeln

Die Staatsbibliothek zu Berlin kann heute aufgrund der hohen Preise für Beethoven-Autographe nur noch selten aktiv sammeln. Zuletzt konnte 2014 ein bisher unbekanntes Billet von der Hand des Komponisten aus dem Jahr 1824 erworben werden. Da die wertvollen Autographe nur noch selten im Original gezeigt werden dürfen, spielt neben deren guter konservatorischer Betreuung auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Die Beethoven-Sammlung der Staatsbibliothek ist vollständig digital erfasst und wissenschaftlich erschlossen, via Internet steht sie kostenfrei allen Menschen zur Verfügung.

 

Die virtuelle Beethoven-Ausstellung

https://staatsbibliothek-berlin.de/die-staatsbibliothek/abteilungen/

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