Digitale Lektüretipps 33: Kostenlose Quellen zur Rechtsprechungsrecherche in Deutschland
Ein Beitrag aus unserer Reihe Sie fehlen uns – wir emp-fehlen Ihnen: Digitale Lektüretipps aus den Fachreferaten der SBB
Nicht ohne mein juris, beck-online oder Wolters Kluwer Online bei der Urteilssuche!? Kostenlose Quellen zur Rechtsprechungsrecherche in Deutschland.
von Ivo Vogel, Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung der Staatsbibliothek zu Berlin
Die momentanen Umstände erlauben es derzeit teilweise nicht, auf die gewohnten Quellen zur Rechtsprechung in Deutschland zurückgreifen zu können. Dies gilt natürlich insbesondere für die gedruckten Entscheidungssammlungen, an deren Handhabung wir uns neben der Nutzung von juris, beck online und Wolters Kluwer Online (früher Jurion) gewöhnt haben. Der Zugriff auf die vorgenannten Datenbanken ist jedoch von zu Hause aus nicht immer problemlos möglich, z. B. wenn die Universität oder Hochschule keine entsprechende Lizenz für die Nutzung im Fernzugriff aushandeln konnte. Ein guter Moment, sich wieder an die kostenfreien Ressourcen im Internet zur Rechtsprechung in Deutschland zu erinnern, denn es gibt tatsächlich Alternativen zu den kommerziellen Angeboten, auch wenn diese im Vergleich zu den kommerziellen Angeboten zum Teil reduziert und/oder umständlicher zu nutzen sind.
Beginnen möchte ich trotzdem mit den Ihnen sehr vertrauten, kostenpflichtigen Onlineressourcen juris, beck online und Wolters Kluwer Online. Denn auch diese bieten kostenlose Services an, die Ihnen zumindest einen ersten Nachweis oder Hinweis zu Rechtsprechung geben können, ohne dass Sie natürlich den Volltext zur Entscheidung dazubekommen. Zu den Volltexten der Entscheidungen der Bundesgerichte und des Bundesverfassungsgerichts sowie mancher der obersten Gerichte der Länder kommen Sie auf anderem Wege. Aber dazu später.
Auf der Einstiegsseite von juris müssen Sie etwas nach unten scrollen und finden unter dem Punkt Service die kostenfreie Suche. Geben Sie in den Suchschlitz einen gewünschten Begriff ein und klicken Sie auf Suchen. Sie erhalten dann eine entsprechende Trefferliste, die Sie nach Dokumententyp sortieren können, wobei die Rechtsprechung an oberster Stelle steht. Diesen Schritt können Sie sich aber auch sparen, indem Sie in der Drop-Down-Box über dem Suchschlitz von vornherein Rechtsprechung einstellen. Für das Suchbeispiel „Vorratsdatenspeicherung“ erhalten Sie über 230 Treffer bei voreingestellter Rechtsprechung (was auch der Ergebniszahl in der lizenzierten Version entspricht). In der Trefferliste werden Ihnen dann das Datum der Entscheidung, der Spruchkörper und Auszüge aus dem Leitsatz bzw. die entscheidungsrelevanten Normen angezeigt. Mehr Informationen erhalten Sie nicht, auch wenn Sie auf den Einzeltreffer klicken. Vielmehr bekommen Sie den „Hinweis: Dies ist ein Dokumentauszug.“ Wollen Sie etwas genauer suchen, so nutzen Sie die erweiterte Suche, mit der nach Text, Datum (Zeitspanne), Fundstelle, Gericht/Autor, Aktenzeichen und/oder Norm eingegrenzt werden kann. Und für den Fall, dass Sie lieber systematisch suchen, gibt es ein Verzeichnis, das die Rechtsprechung nach Rechtsgebieten unterteilt, in einer Ebene darunter die Gerichtsbarkeiten, darunter die Gerichtsinstanzen bzw. Spruchkörper und in der untersten Ebene Zeitspannen für die Entscheidungsdaten.
Anders als bei juris, ist bei beck online die „kostenlose“ Rechtsprechungssuche nicht so ergiebig. Zwar wird auch hier ein kostenloser Suchbereich mit Detail– und Profisuche angeboten, jedoch entspricht die dort angezeigte Trefferliste nicht derjenigen in der lizenzierten Version. Teilweise kommen überhaupt keine Rechtsprechungsnachweise, wie das Beispiel „Vorratsdatenspeicherung“ belegt.
Wolters Kluwer Online hingegen bietet da schon wieder etwas mehr. Eine einfache und eine erweiterte Suche (Gericht, Aktenzeichen/ECLI, Fundstelle, Datum/Zeitraum) stehen zur Verfügung. Unser Ausgangsbeispiel „Vorratsdatenspeicherung“ bietet eingegrenzt auf den Bundesgerichtshof sogar acht Treffer im Volltext. Ansonsten gibt es über 180 Treffer, über die z.B. auch Presseerklärungen von Gerichten zu entsprechenden Entscheidungen im Volltext angezeigt werden.
Um die rein bibliographischen Nachweise, die Sie in den drei Angeboten ohne Volltext finden, im Volltext rezipieren zu können, müssen Sie sich anderweitig des Internets bedienen. Da kann bereits eine Google-Suche (mit Aktenzeichen, Entscheidungsdatum und Spruchkörper) sehr erfolgreich sein oder Sie suchen direkt die kostenlosen Angebote des Bundes und der Länder auf.
Rechtsprechung im Internet ist ein Angebot des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sowie des Bundesamtes für Justiz. Hier werden ausgewählte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundespatentgerichts ab dem Jahr 2010 kostenlos bereitgestellt. Der Bestand an den ungekürzten Entscheidungen wird täglich aktualisiert. Diese Möglichkeit stellt eine insgesamt gute Alternative zur Suche nach der Rechtsprechung dieser Gerichte dar, jedoch nur für die aktuelle Rechtsprechung ab 2010. Über den Link „Rechtsprechung weiterer Gerichte“ gelangen Sie zum Rechtsprechungsmodul des Justizportals des Bundes und der Länder mit den Links zu den entsprechenden Gerichts- oder Portalseiten. Dort ist der Umfang an Entscheidungen im Volltext teilweise erheblich größer, jedoch nie vollständig. Eine Gesamtsuche über alle Onlineangebote des Bundes und der Länder ist von dort aus jedoch leider nicht möglich.
Aber auch bezüglich einer kostenfreien Gesamtsuche über die Rechtsprechung des Bundes und der Länder gibt es gute Alternativen. Eine davon ist openJur. Diese freie Datenbank wird von dem gemeinnützigen Verein openJur e.V. betrieben und beinhaltet mehr als 450.000 Entscheidungen. Für unsere Suche nach „Vorratsdatenspeicherung“ erhalten Sie über 130 Treffer, die Sie wunderbar mit den Facetten (rechts neben der Ergebnisliste) Gerichtsbarkeit, Bundesland und Jahr eingrenzen können. Etwas anders präsentiert dejure.org seine Rechtsprechungsnachweise. Die mit einer einfachen Suche generierten Ergebnisse verweisen auf die verschiedenen Anbieter von Volltextveröffentlichungen, Kurzfassungen/Presse, Besprechungen u.ä., den Verfahrensgang, Papierfundstellen und Wird zitiert von…
Sollten Sie sich noch weiter in die Welt der kostenfreien Rechtsprechungsangebote begeben wollen, bietet das Datenbank-Infosystem eine entsprechende Übersicht (auch zur Europarechtsrechtsprechung usw.).
Und zum guten Schluss noch ein Angebot für rechtshistorisch interessierte Juristinnen und Juristen. Die Entscheidungssammlungen des Reichsgerichts in Straf- und Zivilsachen (RGZ und RGSt) werden in Nationallizenz von der Staatsbibliothek zu Berlin angeboten und nahezu alle Universitäts- und Hochschulbibliotheken haben sich dafür registriert. Erkundigen Sie sich im Onlinekatalog Ihrer Einrichtung. Hier können Sie sich für dieses Angebot aber auch persönlich anmelden.
Jetzt bleibt mir nur noch, Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Rechtsprechungssuche zu wünschen!
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