Sing-Akademie-Projekt gestartet
Seit Februar 2025 ist das Arbeitsteam des Projekts „Ein ‚Kunstschatz von Meisterwerken, großen Theils in Originalhandschriften‘. Erschließung und Digitalisierung des Archivs der Sing-Akademie zu Berlin“ nun vollständig. Ziel des Projekts ist die finale Erschließung und komplette Digitalisierung des historischen Bestands der Sing-Akademie zu Berlin, der sich als Depositum in der Staatsbibliothek zu Berlin – PK befindet. Diese umfassende Zugänglichmachung soll eine gründliche Untersuchung und eine Kontextualisierung des Gesamtmaterials und somit Einblick in die Chortradition dieses und anderer ähnlicher Ensembles der Zeit sowie in die Musikrezeption des 19. und 20. Jahrhunderts ermöglichen. Der reiche Fundus an Musikalien soll außerdem die Auseinandersetzung, die Analyse und nicht zuletzt die Aufführung zahlreicher, oftmals in Vergessenheit geratener Werke sowie die Erforschung derselben innerhalb ihrer Entstehungsumgebung, innerhalb ihrer oder verwandter Gattungen, wie auch ihrer Überlieferungswege fördern.
Die Sing-Akademie zu Berlin wurde 1791 vom Komponisten, Musikpädagogen und Chorleiter Carl Friedrich Christian Fasch (1736–1800) ins Leben gerufen. Sie ist der älteste noch existierende gemischte Chor, der sich der Aufführung historischer Musik im Konzert seit seiner Gründung widmet. Hierfür wurde ein Notenarchiv angelegt, das größtenteils von Faschs Nachfolger, dem Komponisten, Pädagogen und Dirigenten Carl Friedrich Zelter (1758–1832), zusammengestellt und aufgebaut wurde. Den Schwerpunkt der Sammeltätigkeit Zelters bildete die Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts. Entsprechend Zelters Bildungsideal nahm der Bestand bald eine enzyklopädische Gestalt im Sinne der Aufklärung an, sodass seine Zusammensetzung schnell weit über die ursprüngliche Bestimmung, d.h. die Chormusik, hinausging. So sind in dieser umfangreichen Sammlung sämtliche Stilrichtungen und Gattungen der europäischen Vokal- und Instrumentalmusik vertreten – vom Volkslied und der Salonmusik bis hin zu großen Oratorien oder Opern, vom kurzen Klavierstück und Kammermusikwerken über Solokonzerte bis hin zu großbesetzten Ouvertüren und Sinfonien. Die Übernahme verschiedener musikalischer Nachlässe, u.a. des Malers und Komponisten Carl Jacob Christian Klipfel (1727–1802), der Pianistin und Salonnière Sara Levy (geb. Itzig, 1761–1854), des Schriftstellers und Verlegers Friedrich Nicolai (1733–1811) oder des Sängers, Archivars und Musikaliensammlers Georg Poelchau (1773–1836), und die Aufnahme von Musik aus diversen Klöstern Schlesiens ließ ein sehr vielfältiges und reiches musikalisches Notenmaterial entstehen, in dem sich zahlreiche Unikate – seien es Autographen oder Abschriften – befinden.

Erste Notenseite des Doppelkonzerts für Flügel (Cembalo) und Fortepiano, Wq 47 / H 479 von C. P. E. Bach (Autograph)
Das Archiv der Sing-Akademie schließt außerdem die weltweit drittgrößte Sammlung an musikalischen Quellen der Bach-Familie (insbesondere von Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788), aber auch das sogenannte Altbachische Archiv) sowie Quellen mit Musik Georg Philipp Telemanns (1681–1767) und der Brüder Johann Gottlieb und Carl Heinrich Graun (1703–1771 bzw. 1704/1705–1759) ein. Es finden sich überdies Opern von Barockkomponisten wie Alessandro Scarlatti (1650–1725), Antonio Vivaldi (1678–1741) oder Johann David Heinichen (1683–1729), einzelne davon als Unikate. Dieses gewaltige Notenarchiv galt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges jahrzehntelang als verschollen, bis es schließlich im Staatlichen Archiv – Museum für Literatur und Kunst in Kiew wiedergefunden wurde. Seit der Restitution im Jahr 2001 an die Sing-Akademie zu Berlin e.V. steht es zur Benutzung und für Forschungszwecke als Dauerleihgabe an der Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) zur Verfügung.

Brief von C. F. Zelter an den Vorstand der Sing-Akademie mit Antworten von A. Hartung, C. L. F. Schultz und S. W. Voitus
Doch nicht nur Musikalien befinden sich in diesem Bestand. Ein kleinerer, jedoch nicht weniger bedeutender Teil des Archivs, der stets in Berlin verblieben war bzw. in geringerem Maße in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts aus Moskau zurückgeführt wurde, befindet sich seit 1974 bzw. seit 1977 ebenfalls als Depositum in der SBB. Dieser Teil umfasst zahlreiche Textbücher, Sonderdrucke, Mitgliederverzeichnisse, Tagebücher, Aktenordner, Bilder sowie hunderte von Korrespondenzschriften und Programmzetteln. Außerdem wurden 2022 und 2023 weitere Archivalien der Sing-Akademie an die SBB als Ergänzung zum Depositum übergeben.
Das Projekt entstand als Kooperation mit der Sing-Akademie zu Berlin e.V. und wird mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Sing-Akademie zu Berlin e.V. sowie der Staatsbibliothek zu Berlin durchgeführt. Die Katalogisierungsdaten sollen über den Stabikat/GBV, die Musikhandschriftendatenbank RISM und die Datenbank für Briefe und Nachlässe „Kalliope“ und sämtliche Digitalisate über die Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin frei zur Verfügung stehen. Die Katalogisierung der Musikhandschriften des Hauptbestands (Signaturgruppe SA) basiert größtenteils auf den Ergebnissen des abgeschlossenen DFG-Projekts „Erschließung des Musikarchivs der Sing-Akademie zu Berlin“ (2006–2011). Die restlichen Materialien werden bis auf wenige bereits getätigte Vorarbeiten komplett neu erschlossen.
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